+++ Mehr als 1600 Spiele hat der sehbehinderte John Stancombe schon besucht +++
Jeder Mensch sammelt etwas in seinem Leben, seien es gewöhnliche Dinge, wie Autogramme, Briefmarken oder Kugelschreiber, oder aber Skurriles, wie Fotos aller Geliebten oder die Barthaare seiner Katze. Doch was sammelt man, wenn man blind ist und sich normalerweise seine Sammlung nicht anschauen kann…klar, dann sammelt man Stadionerlebnisse. Der Engländer John Stancombe ist ein sogenannter Groundhopper (Fußballfan, der so viele Stadien wie möglich besucht. Über 1600 Grounds hat Stancombe schon von innen bewundert, denn sehen kann er das Spiel aufgrund seiner Erkrankung nicht.
2006 hatte der damals 35-Jährige sein Augenlicht verloren. Danach war Stancombe über ein Jahr lang wie paralysiert. „Ich konnte nirgends hingehen, ohne dass mir jemand dabei half. Das war deprimierend“, erinnert sich Stancombe. Er habe sein Selbstvertrauen verloren, denn der Fußball war bis dahin sein Leben und nun kann er das, was er so sehr liebte nicht mehr sehen. Es hat gedauert, aber mittlerweile hat Stancombe gelernt, damit umzugehen.
Sein Leben hat wieder einen Sinn
Die meisten der mehr als 1600 Fußballstadien hat der 46-Jährige in Non-League-Spielen besucht, also alles ab der fünften Liga abwärts. In seiner Jugend war er Fan von Wimbledon. Doch die Spielbesuche im Profifußball wurden zu anstrengend. Besonders die An- und Abreise war auf Dauer zu turbulent und hektisch. Die Polizei schiebe einen da förmlich zur Bahn. Das läuft im Amateurbereich entspannter ab „Ich mag die Kameradschaft hier. Die Fussballer spielen des Spiels und nicht des Geldes wegen“, so Stancombe. Und auch die Unterstützung der Vereine für sein außergewöhnliches Hobby ist unendlich. Stancombe wird von den Heimvereinen unterstützt, Freiwillige führen ihn herum, erzählen ihm verschiedenste Details zur Spielstätte: wie viele Lichter hat es? Wie lang ist das Gras? Oder wie sehen die Tribünen aus? All das nutzt der blinde Groundhopper, um sich sein eigenes Bild des Stadions zu machen. Während der Spiele steht ihm häufig ein Kommentator zur Seite. Eine der zahlreichen Hilfestellungen der Heimvereine, die Stancombe besucht.
Sein Hobby braucht viel Zeit und jede Menge Organisationstalent. Wenn er mehr als ein Spiel pro Tag schafft, ist das für ihn ein Erfolg. „Für viele Leute ist dies nicht speziell, für mich schon. Wenn ich mir unterschiedliche Zugverbindungen merken muss, wird das schnell anstrengend.“ Da Stancombe in Lowestoft, dem am weitesten im Osten gelegenen Ort in Großbritannien, wohnt, sind Zugreisen oft sehr anstrengend. Manchmal muss er bis zu vier Mal umsteigen. „Aber die Zugbegleiter sind sehr zuvorkommend. Ich setze mich mit meinem Hund immer ins erste Abteil, dort werde ich dann abgeholt und zu meinem nächsten Zug gebracht.“
1780 Kilometer für ein Amateurspiel
An seine weiteste Reise erinnert er sich noch ganz genau. Bei einem Spiel in Barmouth an der walisischen Westküste musste er insgesamt satte 1780 Kilometer zurücklegen. „Ich fuhr morgens um vier Uhr los und war am anderen Tag wieder mittags daheim. Ich schlief bei meiner Mutter in London. Ansonsten reise ich am selben Tag zurück. Die Invalidenleistung vom Staat ist nicht gerade hoch, also muss ich Geld sparen.“
Neben seiner Einschränkung beim Sehen verfügt er außerdem über ein schlechtes Gehör und hat nahezu keinen Geruchssinn.
Aufgrund seiner Behinderung ist das Groundhopping zu einem noch wichtigeren Inhalt seines Lebens geworden. Er würde sonst nur „herumsitzen und viel schlafen“. Auch die Sehbehinderung konnte ihm sein Hobby nur kurz verderben. Er macht einfach mit dem weiter, was ihm schon sein ganzes Leben Spaß gemacht hat, jetzt nur eben anders.
Groundhopping ist ein umfangreiches Thema. Eine weitere Doku zu dem Thema findet ihr auf Youtube: