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Sie leistete Pionierarbeit im Frauensport

Vor 50 Jahren noch verboten und abgestoßen, feiert Kathrine Switzer nun ihr Jubiläum

Wir schreiben den 17. April 2017, es ist Boston Marathon, eine 70-jährige Frau tritt an und läuft auf Platz 22.601 ein. Bei den Frauen belegt sie sogar den 9860. Platz. Klingt alles nicht besonders, doch das ist es in der Tat. Der Boston Marathon erinnert viele Menschen nicht nur an das schreckliche Attentat in 2013, sondern auch an die nicht vorhandenen Rechte einer Frau Sport zu treiben.

Kathrine Switzer war im Jahr 1967 die erste Frau mit offizieller Startnummer beim Boston-Marathon. Eine Wollmütze ließ sie für Viele noch unerkannt. Erst während des Rennens nahm sie diese ab und musste im wahrsten Sinne des Wortes Spießruten laufen, um ins Ziel zu kommen. Sogar der Rennleiter machte Jagd auf die damals 20-Jährige. "Verlass verdammt noch mal mein Rennen und gib mir die Startnummer", fauchte Rennleiter Jock Semple. Eine Frau im Männerrennen - das war ein Novum bei den Langstreckenläufen.

Gleichstellung damals wie heute ein großes Thema

Damals vertraten Sportfunktionäre geschlossen die Auffassung, Frauen seien zu einem Marathon körperlich nicht imstande. Ihnen könne "beim Laufen die Gebärmutter herausfallen" – so hörte es Switzer. So durften Frauen maximal 2,4 Kilometer laufen. Dieser Auffassung war auch Rennleiter Semple, der ihr sogar die Startnummer 261 abreißen wollte. Nach dem ersten Versuch eilte Switzers Freund Tom Miller heran (seines Zeiten Hammerwerfer und Footballspieler) und rempelte ihn zur Seite.

Selbst von ihrem eigenen Trainer hörte sie immer nur, das Frauen zu schwach seien. "Was erzählst du für einen Quatsch? Ich bin gerade mit dir 16 Kilometer im Schneesturm gelaufen“, entgegnete sie ihm kurz vor dem Boston-Marathon. Eine weitere Motivation nahm Schwitzer aus einem Artikel der "Sports Illustrated". Dort las sie von Bobbi Gibb gelesen, die 1966 bereits den Boston-Marathon bestritt - allerdings ohne Startnummer. Gibb bekam die Absage nach der Anmeldung. Also versteckte sie sich kurz hinter dem Start in einem Gebüsch und reihte sich ein, als die Hälfte des Feldes vorbeigelaufen war. Im Ziel war sie mit einer Zeit von 3:21:40 Stunden schneller als knapp zwei Drittel der Männer.

Mit Trainer und Freund am Start

Switzer erzählte Trainer Briggs davon, doch der blockte erst ab, sah aber dann den unbändigen Willen der jungen Frau und versprach sie anzumelden, wenn sie es Training beweist. Gesagt, getan – Brigss meldete sich, Kathrine und Tom Miller als Dreierteam an. Da Switzer und ihre Mitläufer als Gruppe angemeldet waren, konnte einer für alle die Startnummern abholen. Zudem trug Switzer am Wettkampftag dicke Trainingskleidung und ihre Wollmütze.

Auch der Zwischenfall mit Renndirektor Semple hat sie nicht abgehalten. Sie wollte diesen Marathon "auf jeden Fall zu beenden - zur Not auf Händen und Knien". Das gelang ihr nach 4:20 Stunden, somit als erste Marathonteilnehmerin mit einer offiziellen Startnummer. Am Abend erfuhr sie aus der Zeitung, dass Bobbi Gibb 1967 auch wieder gelaufen war: wieder ohne Startnummer, diesmal aber von Beginn an.

Semple und Switzer sind enge Freunde

Kaum zu glauben, aber wahr. Switzer war im Prinzip dankbar für seine Tat, denn nur so konnte sie auf das aufmerksam machen, was sie wollte. Semple schrieb später in seinem Buch "Just call me Jock", ihm sei es lediglich um die Startnummer gegangen. Switzer war froh über den Augenblick und das Ablichten der Fotos, die das Frauenlaufen nachhaltig verändert haben. Harry Trask hat die Aktion damals festhalten können und verbreitet.

Nummer 261 als Symbol

Der Marathon vor 50 Jahren habe ihr Leben "komplett verändert", sagt Switzer heute. Nach dem Ende ihrer Wettkampfkarriere schrieb sie ein Buch und entwickelte ein Programm mit 400 Frauenläufen in 27 Ländern und mehr als einer Million Teilnehmerinnen. Das sorgte im Endeffekt für die Aufnahme des Frauenmarathon in das Olympische Programm. Heute ist sie, mit inzwischen 70 Jahren, immer noch aktiv und setzt sich für Frauen ein, die aufgrund von Religion, Hautfarbe oder Rasse benachteiligt werden. In Anlehnung an ihre damalige Startnummer heißt ihr Projekt "261 fearless".

Der Laufboom ließ die Teilnehmerzahlen der großen Städte-Marathons enorm ansteigen, sodass in Boston gestern fast 30.000 Teilnehmer am Start waren. Mit 13.700 waren fast die Hälfte Frauen. Eine von ihnen war wieder Kathrine Switzer. Die Amerikanerin trug eine blaue Trainingsjacke, eine dunkle Jogginghose und Laufschuhe. Doch eines hat sich nach 50 Jahren nicht geändert – die Startnummer. Genau wie vor fünfzig Jahren hat sie die 261 getragen.