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So tickt Europas Fußball

Zu viele Transfers, zu wenig Talente – Europas Fußball stellt sich selbst ein Bein.

Wir haben es ja immer geahnt: Europas Fußball ist nicht mehr der alte. Profis wechseln im Jahres-Rhythmus die Vereine. Heimische Talente kommen zu kurz. Die Klubs setzen mehr und mehr auf ausländische Spieler. Was ist dran an der Schnelllebigkeit im Fußball-Geschäft? Das Schweizer Institut für Internationale Sport-Studien (CIES) nahm Mannschaften aus den 31 europäischen Top-Ligen unter die Lupe. Mit überraschenden Ergebnissen.

Dortmund Julian Weigl (l.) and Schalkes Max Meyer stehen für Deutschlands starke Talentförderung.

Vereinstreue hält nur 2,2 Jahre

Profis wechseln heute die Klubs wie andere ihre TÜV-Plakette. Stand heute hält es ein Spieler im Durchschnitt nur 2,2 Jahre in einem Verein aus. Kein Wunder: Der globale Fußball-Markt boomt. Spieler-Verträge laufen meist nur noch zwei, drei Jahre. Wenn nicht schon vor Vertragsende ein lukratives Angebot lockt. Die Transfer-Summen schießen durch die Decke. Bei jedem Wechsel verdienen Klubs, Berater und Spieler mit. Klar, dass da die Vereinstreue nicht ewig hält.

Gleichzeitig misten Vereine ihre Teams Jahr für Jahr aus. Seit 2009, so berechneten die Schweizer Datensammler, stieg die Zahl der Neuverpflichtungen pro Saison von 9,1 auf 10,7 Spieler. Rechnet man die Talente hinzu, die aus dem eigenen Nachwuchs aufrücken, stieg der Anteil der Neulinge auf 48,1 Prozent. Heißt: Die Profi-Klubs tauschen Jahr für Jahr fast die Hälfte ihres Personals aus.

Die Mannschaften der Bundesliga agieren nicht ganz so sprunghaft und liegen mit 8,4 Neuverpflichtungen pro Saison unter dem Durchschnitt. Die größte Bewegung auf dem Spielermarkt war 2016 in der ersten portugiesischen Liga (14,2 neue Spieler pro Team) zu verzeichnen.

Fast 40 Prozent Ausländer im Kader

Kein Wunder, dass Trainer, die bekanntlich selbst immer stärker unter Druck stehen, wenig Zeit haben, eine eingespielte und vor allem erfolgreiche Truppe zu formen. Ein Grund, weshalb auch junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs immer seltener zum Zug kommen. Die Studie des CIES Football Observatory belegt: Die Zahl der Eigengewächse, die in der 1. Mannschaft den Durchbruch schaffen, ging seit 2009 von 23 auf 19,2 Prozent zurück. Damit bestehen die Top-Teams Europas nur noch zu einem Fünftel aus Spielern, die sie selbst ausgebildet haben. In Deutschland liegt dieser Wert sogar nur noch bei 12,7, in England bei 10 Prozent. Negativ-Rekord!

Stattdessen verpflichten die Klubs immer mehr ausländische Spieler. Ihr Anteil im jeweiligen Kader stieg seit 2009 um 3,9 Prozent und ist im Vergleich zu den Eigengewächsen doppelt zu groß (38,7 %). Gerade Vereine mit kleinem Etat neigen dazu, offene Positionen mit einem günstigeren Ausländer zu besetzen. Für ein Novum sorgte Energie Cottbus. Der einstige Bundesligist bot 2001 eine Mannschaft ohne einen einzigen deutschen Spieler auf. In der Startformation spielten Akteure aus acht Nationen. Kein Einzelfall: Spaniens Erstligist FC Sevilla trat im September zum ersten Mal in der Geschichte der Primera Division mit elf ausländischen Spieler an.

RB Leipzig führt Jugend-Ranking an

Schaut man auf ganz Europa, sind es vor allem englische Teams, die auf Profis aus dem Ausland setzen. Einheimische Spieler bekommen laut der Untersuchung bei den Top-Klubs Chelsea (16 %), Manchester City (17 %) und Arsenal (23 %) kaum eine Chance. Dass es auch anders geht, beweisen die Bundesligisten. Bei der TSG Hoffenheim (77 % deutsche Spieler) und dem 1. FC Köln (72 %) führen Teams das Inlands-Ranking an, die derzeit auch sportlich erfolgreich sind. Die Bayern beschäftigen dagegen nur 34 Prozent deutsche Spieler.

Auch in Sachen Jugend-Förderung bleibt die Bundesliga europaweit vorne. Zumindest, was das Durchschnitts-Alter der Spieler (bei der Verpflichtung) angeht. Hier sind ausgerechnet Neuling RB Leipzig (22,62 Jahre/2. Platz), Bayer Leverkusen (23,07/ 3.), Borussia Dortmund (23,30/ 4.) und der FSV Mainz (23,61/6.) die Musterschüler. Alles Mannschaften, die für attraktiven Tempo-Fußball stehen und ihre Entwicklung noch vor sich haben. Das Jugend-Ranking führt etwas überraschend Real Madrid (22,53 Jahre) an.

RB Leipzig verpflichtet mit die jüngsten Spieler in Europa, zuletzt Schottlands Super-Talent Oliver Burke (19/links).

Die spanischen Fußball-Schulen von Real und Barca sind es auch, die die meisten Top-Spieler hervorbringen. Auch Ajax Amsterdam und Partizan Belgrad sind in Europa die Ausbildungs-Meister. Deutsche Vereine sind bei der Zahl der Talente, die es später in eine der ersten Ligen schaffen, derzeit nur Mittelmaß.