Eine der größten Tragödien des Sports jährt sich zum 30. Mal
Der 10. April 1987 war ein schwarzer Tag in der Geschichte des bundesdeutschen Sports. An jenem Freitag starb die Siebenkämpferin Birgit Dressel kurz vor ihrem 27. Geburtstag nach tagelangem Martyrium an Multiorganversagen. Da alle Beteiligten schwiegen, ist der Tod bis heute nicht aufgeklärt. „Der Tod von Birgit Dressel vor 30 Jahren bleibt bis heute eine der größten Tragödien des deutschen Sports“, sagte Präsident Alfons Hörmann vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Sie ist ein Opfer medizinischer Praktiken geworden, die unverantwortlich waren“, betonte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).
Schuld waren wohl die vielen Medikamente, um sportlichen Erfolg zu erzwingen. Doping-Experte Fritz Sörgel nennt Dressels Tod „eine Folge des massiven Gebrauchs und Missbrauchs aller möglichen Stoffe. Von harmlosen Nahrungsergänzungsmitteln bis zu Dopingmitteln in Höchstdosen“.
Dressels Arzt: „im höchsten Maße gesund“
Ihr Art Armin Klümper hatte Dressel, so das Ermittlungsergebnis, innerhalb von zwei Jahren 400 Injektionen verabreicht. Dazu kamen tausende Tabletten. Als „Dokumente des Schreckens“, veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Spiegel 1987 Auszüge aus den Ermittlungsakten. Die Enthüllungen zeigten, dass die Bundesrepublik der DDR an Skrupellosigkeit in nichts nachstand. Dabei betonte Klümpel, dass Dressel „im höchsten Maße gesund“ sei. Auch das widerlegte der Spiegel: sie war „in Wahrheit eine chronisch kranke, mit Hunderten von Arzneimitteln vollgepumpte junge Frau“.
48 Stunden vor ihrem Tod begann der finale Kampf. Beim Kugelstoß-Training traten heftige Schmerzen in der linken Lendenwirbelregion auf, ein Orthopäde und ein Dutzend Mediziner am Mainzer Uniklinikum bekamen die Schmerzen nicht in den Griff. Ganz im Gegenteil. Am Morgen ihres Todestages wurde Dressel mit „wehenartigen Schmerzen“ ins Krankenhaus gebracht - Verdacht auf Nierenkolik, Lippen und Fingernägel färbten sich blau, und schon am Abend war Dressel schon nicht mehr ansprechbar. „Verdacht auf toxisches Geschehen, Zerfall des Blutes“, so diagnostizieren die Mediziner richtig. Sie war nicht mehr zu retten.
2012 endeten die letzten Untersuchungen
Die Sportpsychologin und Athletensprecherin Gaby Bußmann forderte öffentlich, dass die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen werden. Doch der Oberstaatsanwalt in Mainz und seine Gutachter finden keinen Verantwortlichen – das Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung wird eingestellt. Zu einem öffentlichen Prozess ist es nie gekommen. DER DLV wollte 1987 nicht mal etwas von diesem Fall wissen. Helmut Meyer, damaliger Chef des Bundesausschusses für Leistungssport und späterer Präsident, versicherte, „dass Birgit Dressels Tod mit Doping nichts zu tun“ habe.
Auch der heute 81-jährige Arzt Klümper schweigt und wanderte 2000 nach Südafrika aus. Der ehemaliger Verlobter Thomas Kohlbacher, der auf Anfrage zu den damaligen Vorgängen nicht reagierte, blieb unbehelligt. 1995 wollte er in einer Vernehmung auf die Frage, ob er Kenntnis von Dressels Gebrauch des Steroids Stromba gehabt habe, „keine weiteren Einlassungen mehr machen, da die Gefahr besteht, dass ich mich selbst dadurch belasten könnte“. Heute trainiert er Mehrkampf-Juniorinnen in Mainz.