Die unglaubliche Karriere eines aussergewöhlichen Sportlers
Als bei den diesjährigen Paralympics in Rio de Janeiro das Einzelzeitfahren der Handbikes anstand, durften die Zuschauer Zeuge eines ganz besonderen Auftritts werden. Alex Zanardi gewann sein drittes olympisches Gold, 15 Jahre, nachdem er dem Tod nur knapp entging.
Es war der 15. September des Jahres 2001, der das Leben von Rennfahrer Alessandro „Alex“ Zanardi für immer veränderte. Der heute 49-Jährige Italiener fuhr damals in der amerikanischen ChampCar-Serie (heute IndyCar) und war nach einer schwierigen sportlichen Zeit endlich wieder auf dem Weg an die Spitze des Feldes.
2001 gab die Serie ihr Gastspiel auf dem deutschen Eurospeedway in der Lausitz, im Vorfeld war unklar, ob das Rennen der amerikanischen Serie überhaupt würde stattfinden können, so kurz nach den Anschlägen vom 11. September in den USA.
Man setzte mit der Austragung des Überseerennens ein Zeichen und die deutschen Zuschauer bekamen die amerikanischen Formelwagen erstmals live jenseits der 300 km/h zu sehen. Nach vielen durchwachsenen Rennen lag der sympathische Italiener erstmals seit langem wieder in Front, als er zum Boxenstopp abbog. Was danach folgte, war einer der brutalsten Unfälle der letzten Jahre im Motorsport.
Er geriet bei der Boxenausfahrt auf den Grünstreifen, verlor die Kontrolle über seinen Boliden und wurde von einem Konkurrenten praktisch torpediert, bei einer Geschwindigkeit um die 320 km/h hatte der Kanadier Alex Tagliani keine Chance mehr auszuweichen.
Wenn man die Bilder dieses Unfalls sieht, hält man es kaum für möglich, dass Zanardi aus diesem Inferno lebend herauskam. Mehrfach musste er wiederbelebt werden, dem Italiener riss es beide Beine aus, eins oberhalb des Knies, eins unterhalb. Danach wurde Zanardi ins Unfallkrankenhaus Berlin gebracht, wo eine achtstündige Notoperation sein Leben rettete. Den verheerenden Crash in bewegten Bilder zu sehen, lässt einem die Luft anhalten:
Bereits nach dieser OP zeigte Alex Zanardi, was ihn in seinem Leben und in seiner Karriere im Motorsport ausmachte, sein Kämpferherz und sein unbändiger Wille. Was danach folgte, war vor allem in Sachen Psyche eine schwere Zeit für den talentierten Piloten, der in der amerikanischen ChampCar seinen Durchbruch erlebte und bis heute unvergessen ist.
Zanardi in den USA – Motorsportmomente für die Ewigkeit
Nach glücklosen Jahren in der Formel 1, wo er nie zur richtigen Zeit im richtigen Auto saß, konnte er nach seinem Wechsel über den Teich brillieren, in seinem Debütjahr 1996 gewann er drei Rennen, wurde „Rookie of the Year“ und lieferte ein Überholmanöver ab, was nach vielen Jahren noch immer allen Motorsportfans in Erinnerung geblieben ist. Beim letzten Rennen des Jahres schnappte sich Alex Zanardi den führenden Bryan Herta mit einem überragenden Manöver in der allerletzten Runde – heute spricht man nur noch von „The Pass“ – der Überholvorgang schlechthin. Auch aus heutiger Sicht ein episches Manöver zum Genießen:
1997 und 1998 folgten zwei Meistertitel in der höchsten amerikanischen Formelklasse, Zanardi drückte der Serie seinen Stempel auf wie kein anderer. Danach wollte er es noch einmal in der Formel 1 versuchen und kehrte für die Saison 1999 zu Williams zurück. Was folgte war ein Seuchenjahr beim Traditionsrennstall, der Italiener hatte keine Chance, seine Fähigkeiten zu zeigen. Danach verschwand der schnelle Pilot von der Bildfläche und gab erst 2001 sein Comeback in der amerikanischen ChampCar-Serie.
Nach dem Unfall machte Zanardi eine harte Zeit durch, ohne seine Frau Daniela hätte er diese wohl kaum so gut überstanden, wie auch in seiner Biographie „Nicht zu Bremsen“ nachzulesen ist. Doch sein Wille entflammte wieder und Zanardi ließ sich auf sein zweites Leben ein, welches noch erfolgreicher werden sollte.
Im Jahr 2003 kehrte er an die Stätte seines fürchterlichen Unfalls zurück, wo er fast sein Leben gelassen hätte und er schaffte hier bereits etwas Außergewöhnliches. Ausgestattet mit Beinprothesen fuhr er im ChampCar-Boliden die 13 Runden zu Ende, die ihm 2001 bis zur Zielflagge fehlten – ein unglaublich emotionaler Moment.
Das war ihm aber noch lange nicht genug, er fand auch eine neue motorsportliche Heimat. In einem umgebauten BMW ging er ab 2005 in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft an den Start und blieb der bayrischen Marke bis 2009 treu. Im Renntourenwagen konnte er mit der Hand Gas geben und die Bremse mit der rechten Beinprothese betätigen. Am 29. August 2005 schrieb er erneut Geschichte, abermals in Deutschland, als er ein Rennen in Oschersleben gewinnen konnte. Das Kunststück schaffte er noch zwei weitere Male.
Der Weg zum olympischen Gold
Parallel zum Motorsport entwickelte Zanardi aber noch eine andere Leidenschaft, die er mit genauso viel Ehrgeiz verfolgte wie seine Renneinsätze. Während seiner Zeit im Tourenwagensport begann er mit dem Handbike-Sport und zeigte auch hier, was Willensstärke bedeutet. Was der Italiener nach seinem Unfall geleistet hat, gibt es kaum ein zweites Mal, seine Erfolge sprechen hier für sich.
2007 nahm er mit dem Handbike am New York Marathon teil und kam als Vierter ins Ziel, 2011 war er dann siegreich. Doch das war für ich noch nicht genug und so ging er 2012 erstmals bei den Paralympics in London an den Start. Wie sein Weg dorthin began, kann man im folgenden Video noch einmal betrachten:
Im Einzelzeitfahren und im Straßenrennen gewann er prompt die Goldmedaille – gefahren wurde auf der Rennstrecke von Brands Hatch, einen besseren Ort hätte es kaum geben können. Auch der Motorsport bleibt weiter Teil seines Lebens, 2015 fährt er einen BMW im GT-Sport und tritt zusammen mit Timo Glock und Bruno Spengler bei den 24 Stunden von Spa an, ein Jahr zuvor startet er beim Iron Man auf Hawai mit Handbike und Rollstuhl. Er erreichte auch hier sein Ziel, man ist es von ihm trotz seiner Behinderung fast nicht mehr anders gewohnt.
Sein Rennwochenende der 24 Stunden von Spa 2015 gibt es übrgigens auch in bewegten Bildern zu bewundern:
Dazu ist er durch das Erlebte auf dem Boden geblieben, fühlt sich nicht als jemand Besonderes. Doch der Lebensdurst von Alex Zanardi ist außergewöhnlich, seine Geschichte für viele inspirierend. Es sind nicht immer die Anzahl von Siegen und Meisterschaften, die einem im Gedächtnis bleiben, Alex Zanardi hat Momente für die Ewigkeit geschaffen und ist einer der ganz Großen, nicht nur des Sports, sondern vor allem auch des Lebens.
Und so spiegelte auch der Gewinn seiner dritten Goldmedaille 2016 bei den Paralympics seinen Lebensweg wieder. Gefahren wurde auf einer 20 Kilometer langen Strecke und Zanardi lag bei Halbzeit noch satte 18 Sekunden hinter dem Australier Stuart Tripp. Doch Zanardis Motto, nie aufzugeben, setzte sich auch an diesem Tag in Rio de Janeiro durch. Er teilte sich seine Kräfte gut ein und konnte im zweiten Teil des Rennens deutlich aufholen und lag am Ende dann doch wieder vorne, gerade einmal um 2,74 Sekunden schlug er seinen ärgsten Konkurrenten.
Es sollte nicht seine letzte Medaille bleiben. Mit der Staffel holte er eine weitere Goldmedaille, nur im Straßenrennen musste er sich knapp geschlagen geben und mit Silber zufrieden sein. Der Italiener bleibt aber Rennfahrer und fragte sich gleich, was er hätte besser machen können. Aufgeben ist das Einzige, was Alex Zanardi noch nie wirklich gut konnte.
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