Justin Kunz - Nachwuchsfahrer mit Ambitionen
Der Nachwuchs im Motorsport hat zumeist ein Ziel vor Augen, wenn er in den Kartsport einsteigt. Der Weg soll im besten Fall bis in die Königsklasse, also zur Formel 1, führen. Sukzessive über die unteren Formelklassen ist es der große Traum von vielen jungen Piloten, einmal am Steuer eines Grand Prix-Boliden zu enden. Und wenn es mit dem großen Ziel nicht klappt, ist auch in den letzten Jahren die DTM immer wieder eine Alternative, die man sich sehr gut vorstellen kann.
Der 18-Jährige Justin Kunz aus dem badischen Appenweier hat aber ganz andere Vorstellungen, was seine noch junge Karriere angeht. Auch er begann seine Laufbahn klassisch im Kartsport, legte aber nach einen frühen Unfall im Alter von erst 6 Jahren eine Pause ein und kehrte erst 2011 zurück auf die Rennstrecken. 2012 zeigte er trotz langer Pause sein Können und krönte die Saison im Team von Eurokart mit dem Titel des Baden-Württembergischen Meisters.
Doch der Weg nach oben ist im Motorsport sehr hart – nicht nur aufgrund der enormen Konkurrenzsituation, sondern insbesondere finanziell – ohne eine große Förderung im Rücken wird es oft schwer weiter zu kommen. Der Weg von Kunz führte nach dem Kart und einigen Erfolgen im Slalom-Sport in die AvD Sports Car Challenge, wo er 2015 bei der Wolf Racing Academy unter Vertrag genommen wurde. Mit den offenen Sportprototypen kam er trotz wenig Erfahrung schnell zurecht und konnte erste Siege feiern.
NASCAR – das große Ziel
Justin Kunz ist ein besonnener Fahrer, niemand, der mit dem Kopf durch die Wand will. Der Youngster geht mit Köpfchen zu Werke, dabei ein großes Ziel vor Augen. Während das Gros des deutschen Nachwuchses von der großen Grand Prix-Bühne träumt, zeigte Kunz schon früh ein Interesse an den amerikanischen Nudeltöpfen, den Ovalkursen der Nascar. Während andere als Kind eher zum Miniatur-Ferrari griffen, war bei ihm ein kleines NASCAR-Modell im Hause zu finden.
Der Motorsportart Nummer 1 in den USA sollte Kunz bald näher sein, als noch vor ein paar Jahren gedacht. Im November letzten Jahres gab es für den Nachwuchsmann ein umfangreiches Testprogramm – Fahrten im Formelboliden, im Tourenwagen und last but not least einem europäischen Nascar standen in Italien an. Viel unterschiedlicher konnten die fahrbaren Untersätze nicht sein, doch für Justin Kunz war schnell klar, in welchem Boliden er seine Karriere weiterverfolgen würde.
Der V8-Bolide des europäischen Nascar-Ablegers hatte es ihm von Anfang an angetan – gefühlt hat das schon mal ein wenig Amerika-Flair. Da auch die Rundenzeiten passten, unterschrieb Kunz einen Vertrag beim italienischen CAAL Racing Team, einem der Top Teams der Rennserie und startete somit als erster Deutscher überhaupt Anfang des Jahres in der NASCAR Whelen Euro Series.
Unterwegs im V8-Geschoss
Vergangenen April wurde es jetzt ernst für das Nachwuchstalent – der Saisonauftakt im spanischen Valencia stand auf dem Programm. Kunz war das erste Mal im NASCAR-Rennbetrieb unterwegs und somit seinem großen Traum ein Stückchen näher. Doch aller Anfang ist bekanntlich schwer, so waren es kleine Ursachen mit großer Wirkung, die ihn davon abhielten, unter die Top 10 zu kommen.
In der europäischen Nascar-Serie teilen sich zwei Fahrer einen der bulligen V8-Boliden. Zunächst musste Justin Kunz erstmal zusehen, wie sein englischer Teamkollege Freddy Nordstrom die ersten Runden im schwarz-grünen Chevrolet absolvierte, dann war endlich seine Zeit gekommen. Doch in den ersten Trainingsrunden stimme seine Sitzposition nicht, so dass der großgewachsene Youngster öfters an den Pedalen hängenblieb – der Teampartner ist deutlich kleiner. Kaum angepasst, purzelte seine Rundenzeit gleich mal um 2 Sekunden.
Doch die Zeit auf der Strecke ist pro Fahrer sehr begrenzt, kontraproduktiv für den Nachwuchs, wenn er, wie Kunz, vorher nur wenig testen konnte. So fand er sich im Mittelfeld der Startaufstellung zu seinem allersten NASCAR-Rennen wieder.
Da vorher der Teamkollege sein Rennen bestritt, das vor der Nachwuchswertung in der Kunz unterwegs ist, absolviert wurde, musste der Deutsche mit ansehen, wie sein schöner V8-Bolide bei einer Kollision ordentlich kaltverformt wurde – viel Arbeit und viel Tape standen nun auf dem Programm, um den Wagen überhaupt wieder fit zu bekommen.
Gut verarztet nahm der Chevy dann in den Händen von Justin Kunz den Rennbetrieb wieder auf. Seiner besonnenen Fahrweise hatte er es zu verdanken, dass er sich aus den Tumulten im Feld raushalten konnte und als 12. Ins Ziel kam.
Die Ansprüche, die er selber an sich stellt, sind hoch – ganz zufrieden war er mit seinem NASCAR-Debüt nicht. Sein zweites Rennen sollte Besserung bringen, doch hier konnte er mit viel Pech an Bord einen Auffahrunfall nicht vermeiden und schleppte den waidwunden V8 nur noch ins Ziel.
Mit der zweiten Veranstaltung des Jahres wurde es auf der Ovalrennstrecke in Venray in den Niederlanden noch amerikanischer – V8-Maschinen, die die klassische halbe Meile mit Banking in guten 20 Sekunden absolvieren, Runde um Runde, geben den Piloten das Gefühl, auf der anderen Seite des Atlantiks unterwegs zu sein.
Genau das ist auch das Ziel von Justin Kunz, denn mit einem Erfolg in der Nachwuchswertung der europäischen Serie hat man gute Karten für einen Gaststart in einer amerikanischen Meisterschaft. Sein Debüt auf einem Ovalkurs hat er sich dann aber doch anders vorgestellt. Technische Gebrechen am Wagen und ein Unfall, in den sein Teampartner verwickelt wurde ließen für Kunz nur ein paar Runden im klassischen amerikanischen Stil zu, dabei blieb ihm vor seinem Rennstart auch nach das Gaspedal hängen, so dass er die Box aufsuchen musste. Das zweite Rennwochenende des Jahres 2016 musste er komplett unter Erfahrung sammeln verbuchen, doch Kunz schaut weiter nach vorne, auch wenn er nach seiner ersten Fahrt in solch einem kleinen Nudeltopf einen leichten „Linksdrall im Kopf“ verspürte.
Mit Brands Hatch in England steht als nächste Station nun wieder ein klassischer Rundkurs auf dem Programm. Hier will der Deutsche ein kräftigeres Wort um die vorderen Platzierungen mitmischen, auch wenn ihm im Gegensatz zu den Kontrahenten einfach noch Zeit im Wagen fehlt. Nach den November-Tests im Vorjahr durfte er nur bei den beiden Rennveranstaltungen 2016 in seiner Startnummer 44 Platz nehmen.
Finanziell ist bislang nur die Saison 2016 gesichert, Sponsoren im Motorsport aufzutreiben ist ein hartes Business, doch Justin Kunz wird alles daran setzten, seinen eigenen NASCAR-Weg weiter zu gehen und eines Tages den amerikanischen Traum in die Tat umzusetzen.
Bilder ©racing14.de, Titelbild ©Nascar Whelen Euro Series