Vom Crashkid zum etablierten Podiumsfahrer - Andreas Mikkelsen
Am 25. Oktober 2015 stieg er in Katalonien in den erlauchten Kreis der WM-Lauf-Sieger auf. Andreas Mikkelsen nutzte einen Unfall des kurz vor Schluss in Führung liegenden Sebastian Ogier und rettete 3,1 Sekunden Vorsprung vor dem Finnen Latvala über die Ziellinie.
Die ganze Familie war vor Ort und feierte den Sieg. Wie immer an Mikkelsens Seite auch Freundin Marghrite, die noch unter den Folgen der Leukämie-Therapie litt. Nach Chemotherapie und einer Knochenmarktransplantation nahm sie erst am Morgen des Rennens das Selbstbewusstsein ihre Baseballmütze ab und zeigte aller Welt ihren brünetten Kurzhaarschnitt. Es war ein gutes Omen. Ihr Freund fuhr anschließend die beste Asphaltprüfung seines Lebens.
Auch Steinar Mikkelsen stand am Streckenrand und sah den auch von ihm so lang herbeigesehnten Sieg des Sohnemannes. Ein Jahrzehnt diskutierte die Rallye-Gemeinde, ob dieser Norweger nicht völlig überschätzt sei. Zu bilderbuchmäßig seine Karriere im noch jungen Alter. Sein Vater wurde mit dem Verkauf eines Spirituosen-Imperiums in Skandinavien reich, der Junior besuchte ein Sportgymnasium, war im alpinen Skiteam und in der Motocross-Nationalmannschaft, obwohl er eigentlich noch mit Matchbox-Autos spielen müsste. Mit Skifahren und Motocross war mit 16 aber Schluss. Die Knie streikten. Er wurde Rallyeprofi. Dank der Millionen seines Vaters stieg er gleich in der Eliteklasse ein.
Mikkelsen Senior setzte Andreas schon in Kindertagen vor schwierige Prüfungen. Auf einem zugefrorenen See sollte er ein Rallye-Auto lenken. Er konnte früh mit Extremsituationen umgehen, so war es nicht verwunderlich, dass er mit 16 bereits schneller war, als der norwegische Meister Thomas Schie. Er überzeugte Renngrößen, wie Henning Solberg und Ola Floene. Wild und furchtlos war der Youngster, der schon mit 17 bei seinem neunten WM-Lauf in Wales ein nagelneues Auto an einem Felsen zerstörte. Kritik und Zweifel kamen auf: Verdient jemand diese Chancen, wofür andere sich mühsam hocharbeiten?
Der Ernst des Lebens holte ihn ein
Mikkelsen sorgte jedoch auch für jede Menge Rekorde: Jüngster Sieger einer britischen Rallye, jüngster Sieger eines norwegischen Meisterschaftslaufs, jüngster Fahrer, der bei einem WM-Lauf in die Punkte fuhr. Als Norwegen erstmals einen WM-Lauf zugesprochen bekam, unterschrieb Premierminister Jens Stoltenberg sogar eine Sondergenehmigung, um Mikkelsen starten zu lassen, denn er besaß ja immer noch keinen Führerschein. Er zog extra nach Großbritannien um dort schon mit 17 die Prüfung zu machen. Ein Kinderspiel für ihn.
2008 dann die Finanzkrise. Steinar Mikkelsen verkaufte die Autos seines Sohnes und machte ihm klar, es sei an der Zeit, erwachsen zu werden. Andreas kümmert sich fortan selbst um Sponsorengelder. 2009 dann das Schicksalsjahr. Bei der heimischen Larvik-Rallye flog Mikkelsen von der Straße. Ein zehnjähriges Mädchen stand da, wo niemand stehen sollte. Mikkelsens Wagen traf sie mit voller Wucht. Sie verstarb noch an der Unfallstelle. Der damals 19-Jährige wollte nie wieder fahren. Es kommt nicht oft vor, dass sich ein so junger Mensch derart verantworten muss. Er fühlte sich verantwortlich. Kaum vorstellbar damit zu leben. Seine Karriere stand auf der Kippe. Die Mutter des 10-jährigen Mädchens suchte das Gespräch mit Andreas: Er sollte sich bloß nicht einfallen lassen, jetzt aufzuhören.
Aus dem Talent wird ein Siegfahrer
Es hat ein wenig gedauert bis Andreas wieder Vertrauen und Speed hatte. Seit dem Unglück fuhr die kleine Elise immer mit. Zur Erinnerung und zur Mahnung steht ihr Name auch heute noch auf der Rückseite seines Helms. 2011 nahm ihn Volkswagen Motorsport in sein Junior Programm unter Vertrag und es war bis dato das erfolgreichste Jahr in seiner Karriere. Er wurde immer schneller, schied oft unglücklich aus oder wurde knapp geschlagen. Die letzten beiden Intercontinental-Rennen gewann er und krönte sich zum Meister der Intercontinental Rally Challenge.
2012 dann wieder der Sprung in die World Rally Championship, dem Rennzirkus der besten Rallye-Fahrer. Mikkelsen fuhr schließlich acht der 13 Rallyes und es standen als beste Platzierung zwei siebte Plätze zu Buche. Parallel dazu fuhr er auch noch weiterhin in der ICR und verteidigte erfolgreich seinen Titel. Damit ist Mikkelsen der einzige Fahrer, dem dies in der kurzen IRC-Geschichte gelang. Ab 2013 voll und ganz im Rallye-Programm von Volkswagen, konnte er an der Seite von Seriensieger Sebastian Ogier und Jari-Matti Latvala seinen Lernprozess fortsetzen. 2015 war nun sein bestes Jahr – neun Podestplätze und sein Karriere-Highlight bei der Rallye in Katalonien.
Bildquellen: GettyImages und VW
Auch als Werbegesicht wird Mikkelsen immer beliebter. Für einen Werbespot fährt er gegen den besten Abfahrer der Welt Kjetil Jansrud um die Wette.
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