+++ Ferrari und Red Bull wollen den Silberpfeilen in diesem Jahr den Titel abjagen +++
Die 2018er Generation der Formel-1-Boliden hat unlängst das Licht der Welt erblickt. Im spanischen Barcelona gingen die ersten Testfahrten mit den neuen Fahrzeugen über die Bühne und am Ende hatten die Roten die Nase ganz vorne, doch ein klarer Trend ist dennoch kaum zu erkennen.
Mercedes – Mit Evolution statt Revolution zur Titelverteidigung
Beim Blick auf die schnellsten Rundenzeiten der Testfahrten mussten die Silberpfeile einigen den Vortritt lassen, das hat aber noch gar nichts zu sagen. Mercedes wird längst nicht alles gezeigt haben, das steht außer Frage.
Der neue Mercedes F1 W09, so die genaue Bezeichnung des neuen Modells, wird nach vier WM-Titeln auch in dieser Saison das Auto sein, was es zu schlagen gilt. Der neue Stern ist eine logische Evolution der Vorgängermodelle, so hält man weiter am längeren Radstand fest, Verbesserungen sind im Detail zu finden. Im Vorjahr hatte man auf winkeligen Kursen, wie etwa in Monaco, einige Probleme, daher setzt man hier den Fokus, damit das keine Wiederholung findet.
In Barcelona war man die Mannschaft, die insgesamt die meisten Runden drehen konnte, der Silberpfeil läuft schon wieder wie ein Uhrwerk. Zudem ist teamintern die Hackordnung so klar wie bei kaum einem anderen Team. Lewis Hamilton wird als Nummer 1 und Titelverteidiger erneut die Speerspitze sein, während Valtteri Bottas in diesem Jahr zulegen muss, denn der Druck von Ferrari und Red Bull wird größer sein als noch im Vorjahr.
Ferrari und Red Bull – Jäger Nummer 1
Sebastien Vettel überzeugte in Barcelona zum einen mit der Testbestzeit, zum anderen war er der Fahrer, der die meistern Runden drehte. Mit dem neuen Ferrari SF71H setzt man in Italien voll auf Angriff und präsentierte einige interessante aerodynamische Details. Die Frontpartie weist Ähnlichkeit mit der Lösung auf, die McLaren im Vorjahr präsentierte, zudem wurde der Radstand verlängert.
Die große technische Revolution bietet aber auch das Modell aus Maranello nicht, so wie bei den meisten Modellen des Jahrgangs 2018 setzt man auch hier auf Evolution. Bei der Scuderia Ferrari ging es vor allem auch darum, die Fehler des Vorjahres zu analysieren, damit nicht wieder eine Pannenserie wie gegen Saisonende 2017 auftritt.
Kimi Räikkönen wird sicher hier und da auf dem Niveau von Vettel unterwegs sein und vielleicht auch mal die Nase vorne haben, über die gesamte Saison hinweg ist aber der viermalige Weltmeister Vettel stärker einzuschätzen. Der Heppenheimer will in diesem Jahr den ersten Titel mit Ferrari und die Ausgangslage ist besser denn je. Um aber Mercedes zu überholen, muss man noch einiges an Entwicklung leisten und hier wollen auch die roten Bullen ein Wörtchen mitreden.
Red Bull schickt den RB14 2018 ins Rennen und der hat bei der Konkurrenz von Mercedes und Ferrari genau hingeschaut, so dass man hier zahlreiche bekannte Elemente findet, die aber aggressiv weiterentwickelt wurden. Für Red Bull-Verhältnisse war das Auto schon früh fertig, auch hier heißt es in dieser Saison volle Attacke. Die Mannschaft hat nicht zuletzt im Vorjahr gezeigt, wie schnell und gut sie entwickeln kann. Vielleicht wird man zum Saisonstart noch nicht ganz auf der Höhe von Mercedes und Ferrari sein, doch in diesem Jahr kann man beide deutlich schneller vorne erwarten. Teamintern bleibt das Duell Max Verstappen gegen Daniel Ricciardo eines der interessantesten im gesamten Feld. Zwei Ausnahmetalente am Steuer, hier wird die Luft auf jeden Fall dünner werden.
Anschluss nach vorne gesucht- Wer hat die besten Karten?
Hinter den drei Top-Teams gibt es viele Kandidaten, die den Anschluss nach vorne schaffen wollen, aber wer hat das Zeug dazu?
Force India ist die Mannschaft, die schon seit Jahren bezogen auf das Budget den besten Job macht. Doch 2018 wird das für die WM-Vierten aus dem Vorjahr noch schwerer. Erneut operiert man aus einer angespannten finanziellen Lage heraus, die Folge: Der neue Bolide, der nun in einem noch stärkeren Rosa erstrahlt, wurde auf den letzten Drücker fertig.
Die Implementierung des Halo-Cockpitschutzes verlangte ein ganz neues Chassis, was den schmalen Geldbeutel noch mehr belastete. Daher musste man einige Lösungen auf das kommende Jahr verschieben, nicht die besten Voraussetzungen, um Rang 4 zu verteidigen, geschweige denn einen Angriff auf die ersten Drei zu unternehmen.
Renault kann man es am ehesten zutrauen, 2018 einen Satz nach vorne zu machen. Die ersten Testfahrten verliefen gut, auch wenn der Bolide wenig innovativ daherkommt. In Sachen Aerodynamik war man weitaus weniger aggressiv als bei anderen. Doch im Laufe des Jahres hat die französische Werkstruppe auf jeden Fall das Zeug dazu, einen Zahn in Sachen Entwicklung zuzulegen.
Teamintern macht Nico Hülkenberg wieder mal einen starken Eindruck, den gebürtigen Emmericher scheint Carlos Sainz Jr. als Teamkollege eher zu beflügeln, auch wenn man erwarten kann, dass der Spanier sich nicht immer hinter dem deutschen Le Mans-Sieger einreihen wird.
Beim britischen Traditionsrennstall Williams macht der neue Bolide einen guten Eindruck und liefert Lösungen, die man auch an der Spitze des Feldes findet. Ex-Mercedes-Mann Paddy Lowe war erstmals für das FW41 getaufte Modell verantwortlich. Weiter mit Mercedes-Power im Heck unterwegs, sollte hier durchaus ein Sprung nach vorne möglich sein, doch mit Lance Stroll und dem Russen Sergey Sirotkin muss man viele Fragezeichen hinter die Fahrerpaarung setzen. Stroll wird beweisen müssen, dass er mehr als nur ein Paydriver ist und steht unter gehörigem Druck. Sollten beiden weit vorne landen, wäre dies sicher eine der Überraschungen der Saison.
McLaren – Die Wundertüte
Einen großen Sprung nach vorne, da war man sich unter Experten einig, wird McLaren 2018 machen. Nach der gescheiterten Ehe mit Honda und unzählbaren Ausfällen will man in diesem Jahr mit Renault zu alter Stärke zurückfinden.
Immerhin, trotz PS-Mankos aus dem Honda-Aggregat, galt der McLaren schon im Vorjahr als einer der besten Bolide In langsamen Ecken und wo die Aerodynamik zählte, gehörte der Wagen zur Spitze, auch wenn das die Rundenzeiten nicht immer aussagten. Mit dem Renault-Antrieb im Heck will man in diesem Jahr wieder regelmäßig in den vorderen Punkterängen ankommen. Ob dies auch tatsächlich gelingen wird, ist eine der schwierigsten Fragen vor dem Saisonstart.
Über die Qualität der Fahrerpaarung muss man sich nicht sorgen. Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne sind ein schnelles Gespann, das für mehr als nur ein paar WM-Zähler gut ist.
Der neue McLaren MCL33 kommt in einem Papaya-Orange daher und greift damit auf die Tradition von Firmengründer und Namensgeber Bruce McLaren zurück. Doch technisch hatte man von den Briten mehr erwartet. Der 2018er Bolide ist eine leichte Evolution des Vorjahresmodells, bei dem man immerhin einige gute Lösungen zeigte, die jetzt auch die Konkurrenz kopierte. Die wenigen innovativen Änderungen hängen natürlich mit dem Zeitplan zusammen. Erst spät war klar, dass man von Honda zu Renault wechseln würde.
Bei den Testfahrten dann der Schock und ein Gefühl von „Und täglich grüßt das Murmeltier“, denn mehr als einmal stand der McLaren mit technischen Gebrechen neben der Strecke. So kamen die Briten insgesamt auf die wenigsten Runden von allen Teams bei den Barcelona-Tests. Der Anschluss nach vorne sieht sicher anders aus, doch kurz vor Ende der Testfahrten zauberte Fernando Alonso die drittbeste Zeit auf den Asphalt. Die Mannschaft hat zudem ein enormes Entwicklungspotential, im Moment bleibt die Leistungsfähigkeit aber noch eine Wundertüte.
Sauber – Anschluss ans Mittelfeld im Visier
Von allen Teams war es ausgerechnet die Mannschaft von Sauber, die mit dem neuen C37 die aggressivste Weiterentwicklung präsentierte. Die Hinterbänkler vom Vorjahr haben den erfolglosen Vorgänger eingemottet und kommen nun mit aktuellen aerodynamische Lösungen daher. Mit Alfa Romeo-Unterstützung und Ferrari-Antrieb sind die Vorzeichen gut, dass man die rote Laterne abgeben und den Anschluss ans Mittelfeld finden kann.
Dabei helfen soll auch der letztjährige Formel 2-Meister und Ferrari-Junior Charles Leclerc . Der Monegasse tat sich bei den Tests aber noch schwer und landete mehrmals neben der Piste. Dennoch wird es Teamkollege Marcus Ericsson nicht leicht haben, den Youngster in Schach zu halten.
Bei Toro Rosso und Haas geht man eher konservative Wege, für beide Teams wird es schwer, regelmäßig in die Top 10 vorzustoßen. Haas bezieht neben dem Motor auch die Aufhängungen und das Getriebe von Ferrari. Die US-Truppe hat wohl die besten Chancen auf Punkte zu Beginn des Jahres. Interessant dürfte hier das teaminterne Duell werden. Ob am Ende Kevin Magnussen oder Romain Grosjean die Nase vorne haben werden, ist noch völlig offen.
Bei den „kleinen Bullen“ von Toro Rosso ist man in diesem Jahr mit dem Honda-Motor unterwegs, bei den Testfahrten konnte man von Seiten der Japaner aus in diesem Jahr zumindest einmal fast doppelt so viele Runden drehen wie noch im Vorjahr. Für die beiden Piloten Pierre Gasly und Brendon Hartley werden Punkteplatzierungen aber sicher die Ausnahme bleiben.
In den Saisonstart im australischen Melbourne am 25. März (07:10 Uhr unserer Zeit) gehen die Silberpfeile zweifelsohne als Favorit, dahinter wird man erst dann die Fragen über die Hackordnung 2018 beantworten können.