Ein Blick auf die erste Elektro-Rennserie
Elektromobilität steckt zwar immer noch in den Kinderschuhen, doch in Zukunft kommt man an Elektrofahrzeugen sicher nicht vorbei. Das Thema findet sich daher natürlich auch im Motorsport wieder. Seit September 2014 ist die Formel E oder ganz offiziell FIA Formula E Championship, so die korrekte Bezeichnung, am Start in der Welt des Rennsports .
Das Konzept – neue Wege im Motorsport
Die Formel E ist eine rein elektrische Rennserie. Umweltfreundlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit hat sich die oberste Motorsportbehörde, die FIA, hier auf die Fahnen geschrieben. Das Format und die Austragungsorte sind beide ganz anders gewählt, als man es im klassischen Motorsport wie bei der Formel1 kennt. Man will neue Zielgruppen ansprechen und geht daher vor allem auf Stadtkursen in großen Metropolen mit den Formel-Boliden an den Start – der Sport kommt somit zum Zuschauer anstatt andersherum.
Die Saison beginnt und endet dazu azyklisch zu den typischen Rennserien und ist jahresübergreifend. Start ist im Herbst und das finale Rennen findet im Sommer des Folgejahres statt.
Der Formelbolide selbst hat eine Maximalleistung von 272 PS. Der Beschleunigungswert von 0 auf 100 km/h in 3 Sekunden kann sich sehen lassen. Die Boliden erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h. Neun verschiedene Hersteller und insgesamt 10 Teams kämpfen aktuell um die Krone der einzigen Elektro-Rennserie – jeder Hersteller kommt mit einem eigenen Antriebsstrang daher, also Elektromotor, Inverter, Getriebe, Steuerelektronik, Kühlsystem und Hinterachsaufhängung. Das chinesische Team von Techeetah bezieht als einziges Kundenteam den Antrieb von Renault. Die Technik solch eines Formel E-Boliden ist im folgenden Video anschaulich erklärt:
In der Formel E gibt es zudem ganz besondere Boxenstopps. Die Batterien reichen noch keine komplette Renndistanz, so dass die Piloten gegen Rennmitte beim Boxenhalt in ein zweites Fahrzeug wechseln, welches für die restlichen Runden parat steht. Sieht man sonst sicher nicht im Motorsport.
Die Hersteller – Große Namen
Nach und nach werden auch Schwergewichte im Automobilsektor auf die Formel E aufmerksam. Das ABT Team wird schon seit Beginn von Audi unterstützt , die Ingolstädter nehmen nach ihrem Aus in der Langstrecken-WM WEC jetzt die Elektro-Rennserie in den Fokus.
„Elektromobilität ist eines der Schlüsselthemen unserer Branche. Wir wollen uns zum führenden Premiumanbieter auf diesem Gebiet entwickeln. 2025 soll jeder vierte Audi ein Elektroauto sein. Das erste Modell dafür soll ein SUV sein, den wir 2018 präsentieren. Da ist es nur konsequent, dass wir unser Motorsport-Programm anpassen und uns in einer rein elektrischen Rennserie engagieren“, so Dr. Knirsch, seines Zeichens Vorstandsmitglied bei Audi.
Audi will ab der Saison 2017/2018 das Formel E-Programm zu einem klassischen Werkseinsatz ausbauen.
Renault ist unterdessen mit dem französischen Team DAMS so etwas wie der Platzhirsch, sowohl in den letzten Rennen, als auch in der letzten Saison. Die Chassis aller Boliden kommen einheitlich von der Firma Spark.
Neben den Teams von Andretti, Virgin Racing, Techeetah, Mahindra aus Indien, Dragon mit Penske-Antriebsstrang, Venturi und dem chinesischen Hersteller NextEV gibt es in dieser Saison einen weiteren prominenten Neuzugang.
Jaguar gab zu Beginn der Saison sein Debüt im elektrischen Motorsport. Mit dem I-Type greift das Team von Panasonic Jaguar Racing ab sofort ins Geschehen ein.
Und bei Andretti ist ein weiterer deutscher Hersteller mit an Bord. BMW arbeitet ebenfalls auf ein eigenes Werksteam hin und wird in den kommenden beiden Jahren mit den Amerikanern zusammenarbeiten. Ziel ist es in der Saison 2018/2019 ein eigenes Team an den Start zu bringen.
Selbst die amtierenden Formel1-Weltmeister von Mercedes bekunden Interesse und haben mit der Serie eine Vereinbarung unterzeichnet, die ihnen einen Einstieg ab der fünften Saison garantieren würde, falls die Stuttgarter diese Option ziehen. Ab dem Jahr 2018/2019 sollen dann insgesamt zwölf Teams an den Start gehen dürfen, somit wären gegenüber heute zwei weitere Plätze vorhanden.
Dazu plant die Formel E mit einem neuen Batteriehersteller, in diesem Fall McLaren, dass der aktuell immer noch obligatorische Fahrzeugwechsel während des Rennens künftig entfällt. In Sachen Attraktivität gewinnt die Formel E immer mehr Hersteller, keiner scheint mehr am Thema Elektro vorbei zu kommen.
Das Fahrerfeld – Ex-Formel1-Fahrer und mehr
Das Starterfeld der Formel E hat es in sich. An erster Stelle ist hier Sébastien Buemi zu nennen, der ehemalige Red-Bull Junior und Formel 1-Pilot, konnte in dieser Saison die ersten beiden Rennen für sich entscheiden und gewann die Meisterschaft 2015/16 in einem wahren Herzschlagfinale. Von Red Bull in der Königsklasse früh fallen gelassen, zeigt der Schweizer an neuer Stelle, was er drauf hat.
In seinem Windschatten lauert oft der Brasilianer Lucas di Grassi, der auch für Audi in der WEC unterwegs war. Aber auch die deutschen Fahnen sind in der Formel E in diesem Jahr mehr als gut vertreten. Neben Daniel Abt und Nick Heidfeld ist mit Maro Engel ein dritter deutscher Fahrer im Teilnehmerfeld zu finden. Mit Jean-Erice Vergne und Nelson Piquet Jr. tummeln sich unterdessen zwei weitere ehemalige F1-Piloten im Feld. Piquet konnte den Titel 2014/15 einfahren und damit zeigen, dass in ihm weit mehr steckt als manch einer nach der Formel 1 Crashgate-Affäre gedacht hätte, als er 2008 absichtlich durch seinen Unfall eine Safety-Car Phase auf Anweisung des Teams auslöste.
Viele hochkarätige Piloten, die zwar reichlich Talent haben, aber denen der Weg in die Formel 1 versagt blieb, finden sich mittlerweile in der Formel E wieder, die auch hier an Attraktivität immer mehr gewinnt.
Der Sport – enge Zweikämpfe und die Frage nach dem Sound
Insbesondere die letzte Saison stand im Zeichen des Duells Buemi für edams-Renault gegen di Grassi vom Team ABT. Am Ende waren es lediglich zwei Zähler, die Buemi den Titel bescherten. Dabei spielte ein mehr als kontroverser Saisonabschluss eine entscheidende Rolle.
Der Schweizer Buemi beschuldigte seinen Kontrahenten di Grassi, ihn hier absichtlich in Kurve eins abgeschossen zu haben. Der Brasilianer seinerseits gab an, sein Gegner habe deutlich zu früh gebremst. Doch die Bilder lassen di Grassi nicht wirklich gut aussehen, am Ende ging das Ganze doch noch gut für Sébastien Buemi aus, der einen minimalen Vorsprung retten konnte und die Meisterschaft gewann.
Die dramatischen Sekunden des Finales der Saison 2015/2016 auf dem Straßenkurs in London hier noch einmal in bewegten Bildern:
Aus sportlicher Sicht ist die Formel E mehr als hart umkämpft, dazu sind viele Piloten am Start, die es auch in der Formel1 weit hätten bringen können. In Sachen Rad-an-Rad-Duelle findet man aktuell kaum eine Rennserie, die solch eine Spannung liefert.
Als Elektro-Rennserie tut sich die Formel E dagegen oft bei vielen langjährigen Motorsportanhängern schwer. Für viele gehört ein ordentlicher Sound, gerne brachial, zum Sport einfach dazu. Das kann aber diese Rennserie nicht liefern, daher sind die Rennen oft gewöhnungsbedürftig für Fans lauter Motoren – irgendwie gehört zum Motorsport traditionell auch eine Portion Unvernunft dazu. Man sieht und hört vor allem gerne einmal Fahrzeuge, die man halt nicht im täglichen Verkehr findet.
Doch die Formel E kann durch ihre Herangehensweise auch neue Zuschauer für den Motorsport begeistern und auch als Freund von lauten Motorengeräuschen muss man einfach den hohen sportlichen Wert der Serie anerkennen.
Die Rennserie ist weltweit in Metropolen unterwegs, das macht sie einzigartig. Von Hongkong bis New York, von Buenos Aires bis Paris geht man dahin, wo die Zuschauer auf jeden Fall ausreichend vorhanden sind. Und auch Deutschland hat die Formel E zu Gast, am 10. Juni 2017 startet man in Berlin auf einem Kurs rund um die Karl Marx Allee. Am besten also der Hauptstadt selbst einen Besuch abstatten, um sich selbst ein Bild von der Elektro-Rennserie zu machen.