Ovalrennsport mitten in Europa - Donnern in der Provinz
Das Limburger Land in den Niederlanden erscheint auf den ersten Blick so, wie man einen Landstrich im Grenzgebiet zu Deutschland und Belgien erwartet. Recht unspektakulär und ruhig gelegen, kann man hier im Normalfall die Landschaft genießen. Doch unweit der deutschen Grenze findet sich plötzlich außerhalb der Stadt Venray hinter dem einen oder anderen Bauernhof gelegen etwas, was es sonst nirgendwo in Europa zu sehen gibt.
Hier liegt die Rennstrecke des Raceway Venray – und das ist nicht nur eine x-beliebige Rennstrecke wie viele andere. Es handelt sich um ein klassisches Oval – das nach amerikanischem Vorbild in Rekordzeit gebaut wurde. Kommt man das erste Mal hier an, staunt man nicht schlecht, was der Streckeninhaber und Unternehmer Harry Maessen hier im Niemandsland hinter einigen Feldern hingestellt hat.
Die Gemeinde von Venray selber umfasst gut 40.000 Einwohner, die mit ihrem Raceway ein besonderes Kleinod im europäischen Motorsport vor der Tür haben. Die Strecke könnte auch genauso irgendwo in den USA anzutreffen sein. Der Ovalkurs selber verfügt über eine Kurvenüberhöhung bis zu 24 Grad – ein sogenanntes progressives Banking wie man im Fachjargon die Strecke charakterisieren kann. Die Länge mit rund 880 Meter ist den Halbmeilen-Ovalen in Amerika nachempfunden.
Dazu hat sich die Infrastruktur der Strecke in den letzten Jahren enorm gewandelt. Die Haupttribüne wurde vergrößert, dazu kann man direkt in der ersten Kurve die Tribüne aufsuchen und ganz nah am Geschehen sein oder sich vor der Start- und Ziel-Geraden auf die im Vorjahr errichtete Stehplatztribüne begeben. Eine Brücke führt ins das sogenannte Infield – hier findet man zusätzlich einen noch kleineren Kurs – die Viertelmeile, auf dem ebenfalls ganz besondere Rennklassen ihre Zweikämpfe austragen. Natürlich wird man hier keine GT-oder Tourenwagenrennen sehen, wie man sie in Europa gewohnt ist, auch hier erinnert vieles an Amerika.
Late Model V8 Supercup - V8-Hammer
Auf dem Halbmeilen-Oval sind es vor allem die sogenannten Late Models, die einen in eine andere Welt des Motorsports entführen. Wer schon einmal Rennsport in den USA erlebt hat, für den fühlt sich das ganz ähnlich an. Zwar aus Lärmschutzbestimmungen nicht ganz so brachial laut, dennoch ist hier Amerika am Start, denn die Teile der hier eingesetzten Fahrzeuge kommen aus dem NASCAR-Mutterland.
Bullig kommen die Akteure mit ihren Wagen daher. Ein 5.7 Liter V8 Motor treibt die Geschosse an – Motoren von Chevrolet, Pontiac und Ford sind hier verbaut – die Leistung liegt bei um die 400 PS. Die Rundenzeit lässt sowohl Piloten, als auch Zuschauer wenig Zeit zum Verschnaufen. Um die 20 Sekunden dauert eine Runde, eine schnelle etwas darunter. Die V8-Hammer erreichen dabei Geschwindigkeiten um die 200 km/h.
Das Feld der Late Models, die speziell für den Einsatz auf Ovalen gebaut und abgestimmt sind, ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Meist um die 25 Piloten gehen hier an den Renntagen zu Werke – meist sind es 3-4 Rennen mit um die 30 Runden, die ausgetragen werden. Die niederländische Meisterschaft hat natürlich viele heimischen Fahrer am Start, die nicht vielen etwas sagen werden.
Doch Deutschland ist nicht weit, so haben wir auch den ein oder anderen Landsmann im Starterfeld. Patrick Heckhausen aus Krefeld ist beispielsweise einer von Ihnen, der im Late Model sogar vor zwei Jahren seine Motorsportkarriere auf vier Rädern begann. Oder auch Stefan Oberndorfer, der seit einiger Zeit hier ebenfalls mitmischt und auch schon Rennsiege feiern konnte. Für den bekennenden NASCAR-Enthusiasten gibt es in Europa keinen besseren Fleck um seine Leidenschaft auszuleben. Wer aber meint, er hätte mit dieser Serie schon alles gesehen, was der Raceway zu bieten hat, der irrt.
Stockcar – F1 und F2 – brachialer Rennsport
Wenn die Late Models Pause haben, bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen. Dann geht es auf der kürzeren Strecke im Infield richtig rund. Der Begriff Stockcars bedeutet für viele bei uns nur Crashderby á la Stefan Raab. Doch die echten klassischen Stockcars sehen ganz anders aus und hören sich vor allem ganz anders an.
Die Wurzeln des Stockcar-Sports liegen weit zurück. Erste Rennen wurden in den 50er Jahren in Großbritannien ausgetragen, bis heute ist der Sport auf der Insel einer der beliebtesten Motorsportarten, bei uns aber nahezu unbekannt. Die Boliden, die stark an die amerikanischen Sprintcars erinnern, sind Einsitzer und kommen wuchtig mit Rammstangen und mehr daher. Die Entwicklung der Fahrzeuge ging in England in den frühen Jahren weit weg von der Serie, so dass wir heute ganz spezielle Rennwagen am Start haben.
Das Herzstück sind Small oder Big Block-Motoren aus dem Hause Chevrolet, die ungedrosselt bis zu 700 PS leisten – die Pferdestärken kann man natürlich auf einer Viertelmeile nicht ausfahren, wenn sich das Feld hier aber in Bewegung setzt, dann heißt es in Deckung gehen. Stockcarsport ist aber auch Kontaktsport, so dass der ein oder andere Konkurrent im Laufe der Rennen taktisch geschickt einen aufs Heck bekommt.
Gerade in England haben auch einige bekannte Piloten ihre Karriere im Stockcar begonnen, so etwas Nick Tandy, Porsche-Werkspilot und letztjähriger Sieger der 24 Stunden von Le Mans. Seine Künste seht ihr hier im Video:
Die Boliden sind dazu mit einem wuchtigen Dachspoiler ausgestattet, ebenso wie ihre kleineren Brüder in der F2-Klasse. Hier ist das Feld meist voller, dafür nicht ganz so brachial unterwegs. Hier kommt ein 2-Liter-Motor mit etwa 160 PS zum Einsatz. Enge Zweikämpfe sind hier aber an der Tagesordnung. Einmal im Jahr – Ende August, gibt es dann Besuch aus Großbritannien, wenn die Könner der englischen Szene sich mit dem Festland messen.
Boxen und Fahrerlager sind übrigens offen und frei zugänglich, es herrscht eine durch und durch familiäre Atmosphäre – einfach Motorsport zum Anfassen. Gefühlt ist ein Besuch auf dem Raceway wie eine kleine Zeitreise, in der noch galt: „Sex is safe and Motorsport is dangerous“. Viel Zeit zum Trödeln im Paddock der Rennstrecke bleibt einem nur nicht, denn es gibt noch eine Rennklasse, die viele staunen lassen wird.
National Hotrods – heißer Asphalt
Klassische Tourenwagen sind es nicht, die sich auf der Viertelmeile treffen, auch wenn sie auf den ersten Blick danach aussehen. Die Silhouetten-Fahrzeuge aufgebaut auf einem Rohrrahmenchassis kommen beispielsweise als BMW Z4, Opel Corsa, Peugeot 206 oder VW Corrado daher und liefern sich packende und enge Zweikämpfe in ihren heißen Flitzern. Gefahren wird übrigens auch bei strömenden Regen, da kennt man hier nichts.
Motorsport zum Anfassen - Fastest Half Mile in Europe
Ein Renntag in Venray geht schnell vorbei, kurze Rennen, viele Klassen – ein Programm, was man im europäischen Motorsport so nirgendwo anders findet. Ein Tagesticket schlägt je nach Veranstaltung mit 15-20 Euro zu Buche, einen Aufpreis von 4 Euro nimmt man für einen Tribünenplatz gerne in Kauf. Sechs Veranstaltungen gibt es im Jahr, an Pfingsten gibt hier seit zwei Jahren die europäische NASCAR-Serie ihr Stelldichein. Wer wissen will, wir sich Motorsport in den USA anfühlt, der sollte einmal auf dem Raceway Venray Halt machen, nächste Gelegenheit dazu gibt es am 26. Juni 2016.
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