Jost Capito - Eine Erfolgsära geht zu Ende
Mit der diesjährigen Rallye Deutschland nahm eine ganz besondere Ära ihr Ende im internationalen Rallyesport. Einer der ganz Großen verließ die Bühne, keiner der selber am Lenkrad dreht, aber einer, der maßgeblich für den Erfolg von Volkswagen verantwortlich war.
Für Jost Capito war die Heimrallye der Abschied von der WRC-Bühne. Dass dieser Abschied von seiner Nummer 1 gekrönt wurde, das war lange Zeit nicht absehbar. Der amtierende Weltmeister Sébastien Ogier litt in diesem Jahr mehr als sonst unter seiner Startposition als Gesamtführender der Weltmeisterschaft. Der Dominator in der Rallye-WM haderte in diesem Jahr deutlich mehr mit dem Regelwerk, da die Konkurrenz merklich näher gerückt ist. So musste er ein ums andere Mal zusehen, wie andere Fahrer auf den obersten Podiumsrang klettern durften.
Vater des VW-Erfolgs – Jost Capito
Bei Volkswagen Motorsport war und ist man erfolgsverwöhnt, vor allem auch dank Chef Capito, der im Mai 2012 die Verantwortung bei VW Motorsport übernahm und mit seinen Crews seitdem von Erfolg zu Erfolg eilt. 2013 führte er das Team erstmal zum Weltmeistertitel in der Fahrer- und in der Teamwertung. Was dann folgte, ist ein Rekord für die Ewigkeit, an dessen Ende seit der Übernahme des Ruders bei den Wolfsburgern insgesamt 9 WM-Titel, 39 Siege und 81 Podiumsplatzierungen stehen.
Capito hat die Polos an die Spitze der Rallye-WM gebracht und dort auch gehalten. Ein Rekord ist ihm in diesem Jahr knapp verwehrt worden. In Argentinien stand man vor dem 13. WM-Sieg in Folge, es wäre das erste Mal gewesen, dass ein Hersteller einmal rund um den Globus und ein ganzes Jahr ungeschlagen geblieben wäre. Ein Steinschlag am Wagen von Jari-Matti Latvala und vor allem Hyundai-Pilot Hayden Paddon machten den Rekord dann aber zunichte. Capito wird es verschmerzen können, hat doch Sébastien Ogier nach gefühlt viel zu langer Wartezeit beim Heimspiel für das Team rund um den gebürtigen Siegerländer seinen 35. Karriereerfolg einfahren können.
Zu Hause ist es halt doch am schönsten, wird sich Capito gedacht haben, nachdem seine Nummer 1 diesmal mit der Startposition 1 der ersten beiden Rallye-Tage nicht den Straßenkehrer für die Konkurrenz spielen musste, sondern die Ausgangslage dieses Mal für den Franzosen sprach. Ogier und Capito – das war lange Zeit das Dreamteam schlechthin in der Rallyeszene und zum letzten Auftritt des Motorsportdirektors zeigte der Weltmeister wieder einmal seine ganze Klasse auf Asphalt und ließ der versammelten Konkurrenz keine Chance.
Abschied von der Rallye-WM – neue Herausforderung Formel 1
Es war das perfekte Abschiedsgeschenk für die letzte Rallye des 57-Jährigen, der nun zu anderen Ufern aufbrechen wird. Die Formel 1 ist die neue Herausforderung für Capito, der hier bei McLaren-Honda andockt. Sein Nachfolger, Sven Smeets, tritt kein leichtes Erbe an. Nach den vielen Saisons, in der man bei VW die Pokale reihenweise mit nach Hause brachte, ist man aktuell in der Fahrer-WM auf den Rängen 1, 2 und 5, während man die Konstrukteurswertung anführt.
Jost Capito blickt auf mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Branche zurück. BMW, Porsche, Sauber und Ford – Namen, die für sich sprechen, überall war er hier in seine Passion Motorsport verwickelt. Die größten Erfolge feierte er aber mit Volkswagen, daher fiel ihm auch der Wechsel alles andere als leicht. Mit dem Wechsel zu McLaren geht er eine komplett neue und große Herausforderung an, das steht außer Frage. „Ich wollte mit ihm arbeiten, weil ich ihn für einen eindrucksvollen, sehr wettbewerbsorientierten und ehrgeizigen Menschen halte, der reichlich Erfahrung aus der Automobil- und Rennsportwelt vorweisen kann“ – wenn das einer wie Ron Dennis sagt, dann muss das schon etwas bedeuten.
Für Capito schließt sich hier auch ein wenig der Kreis. In jungen Jahren selbst Fan des Firmengründers von McLaren, Bruce McLaren, kam der Kontakt zum Team erstmals 1993 zustande, als kein geringerer als Mika Häkkinen im Porsche Supercup für einen Gaststart antrat. Damals war Jost Capito verantwortlich für den Porsche Supercup.
Die Geschichte der Rallye-WM und Volkswagen ist in jedem Fall mit ihm untrennbar verbunden. Die Polos setzten unter seiner Führung zu einer unheimlichen Siegesserie an. Auch wenn diese 2016 kurz unterbrochen wurde, es passt einfach zu dieser Kombination, dass man die Ehe mit einem standesgemäßen Sieg beendete.
Sébastien Ogier war sichtlich erleichtert, endlich wieder ganz oben stehen zu dürfen: „Ein fantastisches Gefühl endlich wieder ganz oben zu stehen nach der langen (Sieges-)Pause. Ich bin überglücklich, meinen Vorjahreserfolg bei der Rallye Deutschland wiederholt zu haben. Der Heimsieg ist extrem wichtig für unser Team, Julien (Ingrassia) und ich haben einen großen Schritt Richtung WM-Titel machen können und natürlich sind wir stolz darauf, unserem Chef Jost Capito ein tolles Abschiedsgeschenk damit gemacht zu haben. Es war wunderbar, ihn als Teamchef zu haben und ich wünsche ihm den gleichen Erfolg in der Formel 1, den er auch mit Volkswagen in der WRC hatte. Das Wochenende war nicht einfach für mich, da ich hier unbedingt gewinnen wollte und dann ist man sehr leicht übermotiviert, wenn die Rallye startet. Dazu kamen die sich ständig ändernden Wetterbedingungen, das war extrem schwierig vorherzusagen. Am Ende habe ich geduldig auf meine Chance gewartet und insbesondere auf der Prüfung Panzerplatte konnte ich mich entscheidend von meinen Konkurrenten absetzen.“
Die Highlights vom Sieg des Franzosen zeigen die Tücken der diesjährigen Rallye Deutschland, so mancher kam da nicht unbeschadet über den Asphalt:
Das Ende einer Ära
Die Ära Jost Capito ist somit standesgemäß zu Ende gegangen, auf Champion Sébastien Ogier ist halt immer Verlass. Was Capito bei VW auf die Beine gestellt hat, wird lange Zeit nicht erreicht werden, sein Wechsel mitten in der Motosportsaison geht fast etwas unter und wird seiner Leistung kaum gerecht, aber er ist keiner, der die große Bühne braucht. An die Rallye Deutschland 2016 wird es sich aber noch lange erinnern.
„Ein sehr emotionaler Moment für mich. Heute war mein letzter Tag bei einer Rallye für Volkswagen, bevor ich im September meine neue Herausforderung angehe. Der Abschied wurde mir natürlich versüßt, da wir etwas zu feiern haben dank des Sieges von Sébastien Ogier und Julien Ingrassia. Sie haben eine fantastische Rallye abgeliefert und ich bin sehr zufrieden, beide wieder ganz oben zu sehen.“ Auch für den Rest der Truppe sieht er positiv in die Zukunft. Jari-Matti Latvala hatte Pech beim Deutschland-Auftritt mit einem Getriebeschaden. „Ich denke, dass er noch stärker bei der Rallye Frankreich zurückschlagen wird. Ich werde dann aber aus der Ferne zusehen“, so Capito, der das Kapitel Volkswagen Motorsport nun geschlossen hat, leise, aber mit einem Erfolg, den so schnell niemand wird wiederholen können.
Hier noch eimal die letzten Momente von Capito bei Volkswagen, ganz in Feierlaune, wie so oft in den letzten Jahren…
Titelbild ©Bodo Kräling/Volkswagen 2016