Abschiedsjahr einer US-Legende
45 Jahre ist er mittlerweile alt – der dreimalige Nascar Cup Champion Tony Stewart absolviert in diesem Jahr seine letzte Saison als aktiver Pilot in der höchsten amerikanischen Motorsportklasse. Bereits 1999 kam er in seiner Laufbahn in die höchste Liga des US-Rennsports. Der in Columbus, Indiana geborene Stewart trat vor kurzem zu seinem 600. Rennen an – eine unglaubliche Zahl.
Drei Meisterschaften stehen für ihn zu Buche, in den Jahren 2002,2005 und 2011 konnte er sich zum Meister krönen, doch wenn er im November auf dem Speedway von Homestad unweit von Miami seine letzten Runden drehen wird, geht nicht nur irgendeiner, es geht ein ganz Großer des Motorsports in Rente.
Anthony Wayne „Tony“ Stewart ist sicher vieles, aber auch kein einfacher Charakter. Im Laufe seiner Karriere hat er oft polarisiert, aber stets seine Meinung geäußert, oft auch mit kräftigen und deutlichen Worten, das ist in der heutigen Welt des Motorsports einfach selten geworden. Im Gegensatz zum mediengeschulten Nachwuchs, der irgendwie nur noch eindimensional wirkt, während er Phrasen ins Mikrofon von sich gibt, war und ist Stewart ein Freund klarer Worte, im NASCAR-Land wird der Name allein deshalb schon fehlen.
Kämpfernatur auf und jenseits der Strecke
Wenn ihm was auf der Strecke nicht passte, zeigte er dies in der Vergangenheit auch schon einmal direkt, wie im folgenden Video beim Duell mit Matt Kenseth zu sehen ist. Unbedingt bis zum Ende anschauen!
Sein letzter Titel war 2011 war aus sportlicher Sicht ein ganz besonderer, war es doch Stewart als Fahrer und Teambesitzer von Stewart Haas Racing in Personalunion, der den Meistertitel im allerletzten Rennen erringen konnte. In der Neuzeit gab es diese Kombination schon ewig nicht mehr, hier muss man bis in Jahr 1992 zurückgehen, als dies Alan Kulwicki gelang. Das Jahr zeigte vor allem den enormen Kampfgeist, den Stewart jederzeit an den Tag legt.
In den NASCAR-Playoffs drehte er eine bis dahin schwierige Saison und musste das letzte Rennen gewinnen, um den Titel nach Hause fahren zu können. Im riesigen NASCAR-Starterfeld nie ein leichtes Unterfangen, doch Stewart tat genau das, was er tun musste. Mit dem Sieg beim damaligen Finale lag er punktgleich mit seinem engsten Konkurrenten, das Mehr an Siegen gab für ihn den Ausschlag. Es war ein grandioses Finale, was es im Motorsport nur ganz selten zu sehen gibt. Am Ende lagen Rang 1 und 2 des Titelkampfes auch im Rennen ganz vorne. Das damalige Titelfinale wurde erst auf den letzten Meilen entschieden – es war bis zum heutigen Datum Stewarts letzter Titelerfolg – die letzten Runden hieß es noch einmal, Atem anhalten:
Schicksalsschläge – Unfall und Tragödie
Im Folgejahr konnte „Smoke“ noch drei Rennen gewinnen, danach begann aber für ihn die schwierigste Zeit seiner Karriere. Stewart fuhr leidenschaftlich gerne Sprint Cars – Boliden, die bei einem relativ leichten Gewicht mit einem Riesenflügel ausgestattet sind und mit einer immensen Leistung von 900 PS+ aufwarten. Gefahren wird auf Dirt-Rennstrecken, im wilden Drift und sicher nicht ohne Risiko. Bei einem dieser Rennen brach er sich bei einem Unfall das rechte Bein, Glück im Unglück, wenn man sich das Ganze anschaut:
Damit war für ihn die Saison im August schon gelaufen und eine schmerzvolle Reha begann für den Champion, der Beinbruch gestaltete sich schwieriger als erwartet, so dass sich die Rückkehr ins Renncockpit weiter verzögerte. So dauerte es bis zum Jahresbeginn 2014, ehe er sich ins Cockpit zurückgekämpft hatte, doch Aufgeben kam für den Vollblutrennfahrer nie in Betracht, der in seinem Leben nie etwas anderes getan hat.
2014 sollte für ihn jedoch ein weiteres schweres Schicksalsjahr werden. Zunächst lief es einfach nicht auf der Strecke, doch Stewart kämpfte weiter, um wieder nach vorne zu kommen: Dazu gehörte auch die Rückkehr in seine geliebten Sprint Cars. Dann aber wurde Tony Stewart bei dieser Leidenschaft am 9. August des Jahres in eine Tragödie verwickelt, die seine Karriere, aber auch sein Leben für immer veränderte.
Nach einer Kollision mit Nachwuchsfahrer Kevin Ward Jr. kletterte dieser aus seinem Fahrzeug und lief wütend auf die Strecke zurück, für Stewart war der Youngster so gut wie nicht zu sehen – es geschah die Tragödie schlechthin. Tony Stewarts Wagen traf Ward Jr, der die Kollision nicht überlebte. Schockstarre beim dreimaligen NASCAR-Champion, dessen Welt von jetzt auf gleich stillstand.
Stewart musste in der Folge medial einiges über sich ergehen lassen, selbst ein strafrechtlicher Prozess wurde anberaumt. Zwar wurde Smoke natürlich freigesprochen, hatte er doch keinerlei Möglichkeiten mehr zum Ausweichen gehabt, doch dieser Unfall veränderte den Mann der klaren Worte nachhaltig. “Alles, woran du denkst, ist: Warum? Was ist passiert und warum ist es passiert?“ so gab er damals Einblick in die Tage und Wochen nach der Tragödie. „So bringt man Tage damit zu, sich immer wieder die gleiche Frage zu stellen.“
Der schwere Weg zurück an die Spitze
Für Stewart nach der Verletzung eine erneut schwere Zeit, wenn auch nun vor allem emotional. Die Rückkehr ins Cockpit verzögerte sich nach diesem Unfall, der Champion musste erstmal Abstand gewinnen. Das er 2014 nicht mehr um Siege fuhr, war verständlich, dass es seiner erste sieglose Saison nach 16 Jahren war, geriet zur Nebensache. Doch zwei Dinge ist Smoke in erster Linie, Rennfahrer und Kämpfer, so war klar, dass er nicht aufgeben würde.“ Ich bin immer noch ein Rennfahrer. Ich will immer noch Rennen fahren. Das weiß ich mit Sicherheit“, so Tony Stewart nach dem Unfall damals.
Der Weg zurück an die Spitze des Feldes danach war mehr als langwierig. Die Saison 2015 war sportlich niederschmetternd für den erfolgsverwöhnten Piloten, bei dem nichts zusammenlief. So waren viele nicht verwundert, als er bekanntgab, dass seine lange Karriere in der Nascar in diesem Jahr enden wird. Wenigstens in seiner letzten Saison wollte er nochmal vorne mit ins Geschehen eingreifen, doch das Pech blieb Stewart treu. Bei einer privaten Fahrt mit einem Buggy verletzte er sich im Januar so schwer am Rücken, dass er die ersten 8 Rennen seiner Abschiedssaison auslassen musste.
Was dann folgte zeigt die Willensstärke eines einzigartigen Fahrers, von deren Sorte es nicht mehr viele gibt. Sukzessive verbesserte er sich und seinen Boliden mit seiner Nummer #14, bis es in einem Herzschlagfinale auf dem Rundkurs von Sonoma vor kurzem endlich soweit war – nachdem er die Führung kurz vor Schluss verlor, konnte er diese in der allerletzten Kurve zurückerobern und endlich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder einen Rennsieg für sich verbuchen. Hart kämpfen musste er dafür bis zur Ziellinie, wie die Bilder der letzten Meter:
Der Sieg und die ansteigende Formkurve brachten ihn damit nun in den Chase – die Nascar-Playoffs um den Titel. Vielleicht endet am Ende seiner Nascar-Karriere doch noch alles im Guten für Tony Stewart, der in der höchsten US-Motorsportklasse fehlen wird. Es geht einer, der den einfachen Rennsport liebt und einer der wenigen, der sich keinen PR-Maulkorb verpassen lässt.