NASCAR an der Adriaküste
Die Adriaküste in Italien ist vor allem als Urlaubsziel bekannt, typische Touristenstrände prägen das Bild der Region. Doch nur ein kleines Stück im Landesinneren gelegen findet sich mit dem Adria International Raceway eine Rennstrecke, die in diesem Jahr erstmalig Austragungsort für ein gänzlich unitalienisches Event war.
Die Strecke ist einer der neueren Kurse in Europa, erst 2002 wurde der schnelle Asphalt hier fertiggestellt. Mit einer Streckenlänge von 2,702 Kilometern und 14 Kurven gibt es für alle Aktiven reichlich Gelegenheit ihr Können zu zeigen oder halt auch neben der Strecke zu landen.
In Amerika die Motorsportart Nummer 1 fristet die NASCAR in Europa eher ein Schattendasein . Daher unterstützen die US-Amerikaner seit einiger Zeit einen europäischen Ableger. Die Nascar Whelen Euro Series, oder auch kurz EuroNascar, bringt ein starkes Teilnehmerfeld auf die Rennstrecken in Europa. V8-Einheitsboliden je nach Ausführung im Design eines Chevrolets oder Ford Mustang mit gut 400 Pferdestärken unter der Haube kämpfen hier gegeneinander. Das Material ist gleich, um bestmögliche Chancengleichheit zu gewähren.
Amerikanisches Motorsportflair in Italien
Im September rollte der V8-Tross nun unweit des beschaulichen Ortes Adria in Venetien an, um amerikanisches Motorsportflair in den Norden Italiens zu bringen. Im Land von Pizza und Pasta war plötzlich das Grollen der bulligen NASCAR-Boliden an der Tagesordnung, und die Piloten ließen sich nicht lumpen und boten den Zuschauern beim Debüt packenden Motorsport, ganz im US-Flair.
Dazu gehörte auch eine entsprechende Show vor den Rennen. Neben der italienischen Nationalhymne erklang auch die amerikanische, schließlich ist die Mutter der Rennserie eine waschechte Amerikanerin. Cheerleader und Footballplayer sorgten noch mehr dafür, dass man sich wie an einer amerikanischen Sportstätte fühlen konnte.
Der Adria Raceway ist für Zuschauer gut zu überblicken und was sie zu sehen bekamen, hatte schon was von der großen NASCAR in den USA. Reichlich Duelle mit oft vehementen Kontakt, die für zahlreiche Piloten im Aus endeten oder mit Fahrzeugen, denen so einiges fehlte. Doch NASCAR-Boliden sind dazu gebaut, lange durchzuhalten, so lange genug Fixierband vorhanden ist, wird getaped, was das Zeug hält. So schleppten sich zahlreichen V8-Boliden mit einigen Blessuren ins Ziel.
Dass das sportlich nicht nur eine große Show ist, zeigen vor allem zwei Protagonisten der Rennserie. Anthony Kumpen aus Belgien und Alon Day aus Israel , auch in Deutschland keine Unbekannte, duellierten sich auf dem Rundkurs, auf dem auch schon die DTM zu Gast war. Das wäre damals fast ins Auge gegangen, der damalige Audi-Pilot Alexandre Premat kam vor einigen Jahren mit dem Schrecken davon, wie man hier sieht:
Im Feld der EuroNascars ging es zwar hart zu Sachen, außer Schäden an Karosserie und Technik blieben aber alle trotz der engen Duelle wohlauf. Die beiden Top-Fahrer in diesem Jahr, Day und Kumpen, teilten sich die Siege bei den Rennen – beide haben zudem bereits Gaststarts in den USA in den höheren NASCAR-Klassen absolviert, die Erfahrung macht sich zunehmens bezahlt.
Die Infrastruktur für Besucher des Adria Raceway wartet übrigens mit einer kleiner Überraschung auf. Das Fahrerlager hinter den Boxenanlagen ist überdacht, so dass man an regnerischen Tagen hier bestens aufgehoben ist. Auch am Wochenende der EuroNascar-Fahrzeuge öffnete der Himmel seine Pforten, so dass man sich besser schnell auf einen Kaffee zurückzog. Den gab es bei der Organisation der Serie, hier merkt man den familiären Geist, der hier noch durch das Fahrerlager weht. Rennsport zum Anfassen, wie man es heutzutage immer weniger findet.
Rennsport zum Anfassen
Auch die Boxen sind frei zugänglich, so dass man sich hier frei zwischen den V8-Monstern bewegen kann und den Mechanikern und Fahrern hautnah über die Schulter schauen darf. Rennsport zum Anfassen, das bietet nicht nur die Nascar Whelen Euro Series, sondern auch die italienische Strecke an der Adria und wartet mit einer weiteren Besonderheit auf. Direkt über den Boxen kann man sich ein Zimmer für die Übernachtung mieten und kann von dort aus einen Blick über fast die gesamte Strecke genießen – näher dran geht es nun wirklich nicht und die lästige tägliche Anreise entfällt dazu, so dass man am Wochenende der EuroNascar komplett in ein amerikanisches Motorsportgefühl eintauchen kann.
Freddie Hunt – berühmter Name im Feld
Aber auch der Sport kam nicht zu kurz. Neben dem Duell an der Spitze der Gesamtwertung zwei erfahrener und talentierter Piloten, war auch Freddie Hunt wieder mit am Start. Der Sohn des ehemaligen Formel1-Weltmeisters James Hunt, bestritt zwei weitere Rennläufe für das österreichische DF1 Nascar Racing Team, beide Male verließ ihn allerdings das Glück. Einmal wurde er in bester Nascar-Manier auf die Hörner genommen, das andere Mal war das Feld in der Startphase zu dicht beieinander, so dass Hunt die Motorhaube seiner Startnummer #66 nachhaltig ramponierte. So war an ein Top-Resultat natürlich nicht mehr zu denken.
Justin Kunz – deutscher Youngster auf dem Weg nach vorne
Dagegen machte an diesem Wochenende einer ganz besonders auf sich aufmerksam. Der erst 19 Jahre alte deutsche Nachwuchspilot Justin Kunz drehte ordentlich auf , erzielte seine besten Saisonplatzierungen und konnte in seinem zweiten Rennlauf die Rookie-Wertung erstmals gewinnen. Für Kunz ein großer Schritt vorwärts, der Youngster ist augenscheinlich ein großes Talent, wenn man bedenkt, dass er lediglich 2016 sechs Mal in den V8-Hammer klettert und sonst keinen aktiven Motorsport betreibt, während die Konkurrenz hier deutlich regelmäßiger im Training ist.
Schnelle Ladys im NASCAR-Zirkus
Was die große NASCAR in Amerika mit Rennamazone Danica Patrick kann, das kann auch der europäische Ableger. Im Feld tummeln sich zwei schnelle Ladys, die keine Schwierigkeiten mit den schweren Boliden haben. Arianna Casoli und Erika Monforte, beide aus Italien, sind mehr als nur ein Farbklecks im Feld der EuroNascar und haben bei ihrem Heimspiel erneut bewiesen, dass sie ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen.
Die Meisterschaft hat sich auf dem Adria Raceway noch nicht entschieden, hier muss man das Finale im belgischen Zolder Anfang Oktober abwarten. Auch die europäische NASCAR vertraut auf ein Playoff-System, ein Novum im Rennsport, in Anlehnung an den NASCAR Sprint Cup in den USA. Die Rennläufe in Adria stellten das Semifinale dar, hier gab es im Feld doppelte Punkte im Gegensatz zu normalen Saison. So wurden die Duelle in Italien noch intensiver als sonst. Das erste Gastspiel in der Urlaubsregion hatte es in sich und wer auf der Suche nach einem Motorsportevent der anderen Art ist, der ist hier mehr als gut aufgehoben.
Ausklingen lassen kann man ein Rennwochenende auf dem Adria Raceway auch stilecht in der hiesigen Gastronomie, auch wenn an diesen Tagen Pizza und Pasta den amerikanischen Burgern weichen mussten, in der gut ausgestatteten Bar der Rennstrecke war man trotzdem kulinarisch bestens aufgehoben.