Water

Die gefährlichsten Wellen der Welt - Teil 4: Europa

+++ Von Weltrekorden und Nahtoderfahrungen – ein Fischerdorf in Portugal schlägt große Wellen +++

Die Riesenwelle von Nazaré war den Einwohnern des kleinen Küstenstädtchens schon seit vielen Generationen bekannt. Die Fischer fürchteten und mieden sie um jeden Preis und Wassersport war nie ein Thema in dem kleinen portugiesischen Fischerdorf. So rollte das Monster der Superlative jeden Winter an die Praia do Norte, ohne dass der Rest der Welt überhaupt etwas von dessen Existenz wusste.

Es war 2011 als der bekannte Big Wave Surfer Garret McNamara die Welle fast im Alleingang weltberühmt machte. Kurz vorher stieß er im Internet auf Bilder von Bodyboardern, die eine ihm unbekannte Riesenwelle surften (Ja richtig gelesen, Bodyboarder in der Riesenwelle!). Er trat mit ihnen in Kontakt und als sie ihm nach einiger Zeit eine gute Prognose für die nächsten Tage gaben, schnappte er sich kurzerhand sein Team und flog nach Portugal. Was er dort zu sehen bekam, verschlug ihm die Sprache. Bis zu 30 Meter hohe Wellen, nur wenige Meter vor der Küste, direkt vor einem menschenleeren Strand.

Das Bild von McNamara auf der Riesenwelle, welches kurz darauf entstand, ging um die Welt und sollte die Surfwelt verändern. Vor allem aber das kleine und beschauliche Nazaré. Fast unnötig zu erwähnen, dass McNamara hier auch den Weltrekord für die höchste jemals gesurfte (tow-in) Welle aufstellte. McNamara surfte hier 2011 eine 24 Meter Welle. Nur zwei Jahre später brach er seinen eigenen Rekord und knackte als erster die 100 Fuß (30 Meter). Die offizielle Bestätigung dieser Höhe steht allerdings noch aus.

Riesenwelle durch Unterwasser-Canyon

Verantwortlich für dieses Naturphänomen ist ein bis zu 5.000 Meter tiefer Unterwasser-Canyon, der direkt vor dem ehemaligen Fischerdorf spitz ausläuft und so einen extremen und plötzlichen Höhenunterschied verursacht. Drückt die Dünung nach einem kräftigen Wintersturm auf dem Atlantik aus nordwestlicher Richtung, werden die Massen erst in den Canyon geschoben und am Ende, bedingt durch die Form des Canyons, konzentriert in eine Flachwasserzone gepresst. Dadurch ändert sich nicht nur die Richtung der Welle, sondern das Wasser baut sich zu hochhausartiger Größe auf. Einige Einheimische haben hier schon Wellen mit 40 Metern Höhe gesehen. Die Gefahr der Welle liegt hier also nicht wie bei vielen anderen an der Beschaffenheit des Untergrundes, sondern an der Welle selbst. Bis zu 500.000 Tonnen Wassermasse türmt sich dort auf und rast mit bis zu 90 km/h auf die Küste zu.

Stürzt der Berg zusammen, klingt es wie eine gewaltige Explosion. Kein Wunder also, dass Surfer und Fans die Welle als Bombe bezeichnen. Die reine Kraft einer 24-Meter-Welle brach Maya Gabeira, einer Pro-Big-Wave-Surferin aus Brasilien, 2013 einen Knöchel während sie auf ihrem Board stand. Als sie daraufhin stürzte wurde sie mehrere Male von den darauffolgenden Wellen unter Wasser gedrückt, da ihr Jet-Ski-Fahrer keine Möglichkeit hatte, sie zwischen den heranrauschenden Wassermassen zu retten. Nachdem sie minutenlang unter Wasser war, musste sie am Strand reanimiert werden – und kam zurück! Nicht nur ins Leben, sondern auch zurück nach Nazaré. 2015 bezwang sie die Wellen dort und beschrieb dieses Erlebnis als letzte Stufe ihrer Regeneration und Rückerlangung ihrer Kräfte. Erst kürzlich, beim letzten großen Swell, passierte dem Briten Andrew Cotton ebenfalls ein schrecklicher Wipeout. Er wurde von der Lip erfasst und brach sich beim Aufprall den Rücken. Dennoch hatte er Glück im Unglück. Durch die schnelle und professionelle Versorgung vor Ort, kam er schon bald wieder aus dem Krankenhaus und bereitet sich derzeit auf die nächsten großen Wellenabenteuer vor.

Eisregen, schneidender Wind und ein Riff, das keine Fehler verzeiht. Die feindlichste Welle kommt aus Irland

Weiter nördlich ist ein anderer sehr bekannter Big Wave Surf Spot Europas – Mullaghmore Head in Irland. Diese Welle ist nur bei Tidehochwasser surfbar und lediglich per Jet Ski erreichbar, da sie 2,5 Kilometer vor der Küste über einem flachen felsigen Riff bricht. Trifft eine kraftvolle Dünung nach einem Wintersturm auf ablandigen Wind kann sich Mullaghmore bis zu 15 Meter auftürmen. Der dunkelgrüne und eisige Atlantik formt dann eine beeindruckende Tube, die nur wirklich sauber und surfbar bricht, wenn sie hoch genug ist. Mullaghmore wurde auch schon gepaddelt, entwickelt sich aber aufgrund der heftigen Gewalt des Wassers eher zu einem tow-in-Spot, um den Surfern wenigstens einige aussichtsvolle Chancen zu lassen. Doch neben dem unnachgiebigen, felsigen Riff, das unter Wasser auf gestürzte Surfer wartet, gibt es noch etwas anderes, mit dem sich die risikofreudigen Wassersportler herumschlagen müssen - das undankbare und feindselige Wetter. Mit eisigen Temperaturen, heftigem Wind, Regen- oder Eisschauern müssen die Surfer hier rechnen. „An manchen Tagen ist es so kalt, dass du glaubst, du erfrierst“ sagte einst Andrew Cotton, der nicht nur zu den Stammgästen Nazarés gehört, sondern auch einer der Pioniere von Mullaghmore Head ist.