Water

Go big or go home

+++ Wie sich das Big Wave Surfing über Jahrzehnte entwickelte +++

North Shore, Oʻahu, Hawaii, 50er Jahre. Es gab keinen besseren Ort und keinen besseren Zeitpunkt für die Entstehung des Big Wave Surfing. Das Wellenreiten hatte in den letzten Jahrzehnten einen Boom erfahren, der seinesgleichen sucht. Hawaii wird zum regelrechten Surf-Mekka für Begeisterte aus aller Welt, die Materialien werden besser, die Boards kleiner und wendiger. Da liegt es nahe, dass sich die ersten Wagemutigen an die ganz großen Wellen herantrauten. Waimea Bay, Sunset Beach und Banzai Pipeline waren die Surfspots der Stunde, an denen im Winter die großen Wellen brachen. Auch heute gehören sie noch zu den beliebtesten Big Wave Spots.

In der Waimea Bay wird seither der älteste und auch prestigeträchtigste Wettbewerb ausgeführt – die Quiksilver Big Wave Invitational – oder kurz: „The Eddie“. „The Eddie“ wurde nach der Surflegende Eddi Aikau benannt, der als erster Rettungsschwimmer der Waimea Bay über 500 Menschenleben rettete, weil ihm keine Welle zu hoch und keine Wasserbedingung zu schwierig war. „Eddie would go“ ist auch heute noch eine szenebekannte Redewendung. Bei einer Rettungsaktion eines gekenterten Kanus verschwand er allerdings, als er an Land paddeln und Hilfe holen wollte. Er wurde nie wieder gesehen. Ihm zu Ehren wurde 1984, sechs Jahre nach seinem Tod, eben jener Contest ins Leben gerufen.

28 auserwählte Surfer warten seitdem jeden Winter auf den entscheidenden Anruf. Sobald die Bedingungen stimmen und Ozeanologen, Meteorologen und Surf-Experten grünes Licht geben, müssen sich die Surfer innerhalb von 12 Stunden in Waimea einfinden. Die Abrufzeit ist dabei vom 1. Dezember bis zum 28. Februar eines jeden Winters. Falls die Dünung jedoch nicht mindestens 20 Fuß hoch ist, woraus sich Wellen mit 30-40 Fuß (9-12 Meter) erbrechen können, wird der Contest gar nicht erst ausgetragen. Seit 1984 fand „The Eddie“ erst neunmal statt und steht mittlerweile auf Grund dieser schwierigen Voraussetzungen kurz vor dem Aus.

Bei 6,10 Metern geht es los

Ab einer Wellenhöhe von 20 Fuß bzw. 6,1 Meter spricht man von einer Big Wave, nach oben gibt es natürlich keine Grenzen. In der nördlichen Hemisphäre treten Big Waves vor allem in der Wintersaison zwischen Anfang Oktober und Ende März auf, wenn Winterstürme die großen Wellen bringen. Für die Surfer heißt es daher nicht Winter, sondern „Big-Wave-Season“ und dies ist somit der Zeitraum in dem sie ihre Angst überwinden müssen. Denn jeder der sich in die großen Wellen traut, weiß was ihn erwarten kann. Stürzt ein Surfer oder bricht eine Welle direkt über ihm, drückt diese ihn im ungünstigsten Fall bis zu 15 Meter in die Tiefe. Dort können starke Unterströmungen auftreten, die die Surfer gegen Riffe oder den Ozeanboden drücken, der starke Druck in dieser Tiefe kann das Trommelfell zum Platzen bringen. Darüber hinaus kann ein Zusammenprallen mit einem Riff an sehr seichten Stellen zu schweren bis tödlichen Verletzungen führen. Nicht zu vergessen - „The washing machine“, wenn der Surfer solange im Weißwasser umhergeschleudert wird, dass er, sobald er aufgehört hat sich zu drehen, als erstes herausfinden muss, welche Schwimmrichtung gen Himmel führt. Dies sollte im besten Fall in weniger als 20 Sekunden gelingen, weil spätestens dann die nächste große Welle direkt über ihm zusammenbrechen wird. Die Surfer sind zwar waghalsig, aber nicht leichtsinnig. Sie trainieren viel für den Fall, dass sie durch zwei oder drei aufeinanderfolgende Wellen unter Wasser gedrückt werden, dies unter Umständen sogar mehrere Minuten lang. So können Big Wave Surfer in der Regel ihren Atem einige Minuten lang anhalten, sind körperlich in absoluter Topform und praktizieren täglich Yoga bzw. Meditation damit sie um jeden Preis in solchen heiklen Momenten eine anfliegende und fatale Panik verhindern können.

Paddle-in or tow-in?

Gesurft wird klassischerweise indem der Surfer auf dem Board liegend die Welle aus eigener Kraft anpaddelt (engl. paddle-in). Damit war jedoch dem Surfen eine Grenze gesetzt, denn je höher und schneller eine Welle wird, desto kleiner müsste das Brett sein um diese mit der besseren Manövrierbarkeit und der nötigen Geschwindigkeit reiten zu können. Allerdings lässt sich mit den kleineren Boards nicht genügend Kraft und Geschwindigkeit während des Anpaddelns aufbringen. Als dann Laird Hamilton und Darrick Doerner 1992 das tow-in-Surfen etablierten, veränderte sich der Surfsport erneut. Durch diese neue Form des Wellenreitens, bei der die Surfer mit Jetskis in die Wellen hineingezogen (engl. tow-in) werden, konnten sie von nun an viel größere und schnellere Wellen reiten, als es bis dahin für möglich gehalten wurde.

Dennoch gibt es seitdem einen Cut in der Surfgemeinde, denn während die einen die neuen Möglichkeiten des tow-in-Surfens umjubelten, sahen es andere als Verzerrung des Sports und nicht als „richtiges Surfen“ an. So gibt es neben dem „The Eddie“ weiterhin viele reine paddle-in-Events. Zeitgleich nimmt aber auch die Zahl der tow-in-Contests stetig zu. Mit der Big Wave World Tour veranstaltet die World Surf League (WSL)  jährlich nun ein Event, dass sowohl paddle-in- als auch tow-in-Events beinhaltet. Die ersten Wettbewerbe dieser Tour für die Saison 2017/2018 wurden bereits ausgetragen. So gewann Kai Lenny im Juli das erste Event in Mexiko, Puerto Escondido und Ian Walsh das Event in Hawaii, Maui, Pe'Ahi/Jaws. Noch ausstehend ist Mavericks, das diese Saison erstmals bei der Tour dabei sein wird und das tow-in-Event in Nazaré. Der Ort in dem Garrett McNamara 2013 die höchste jemals gesurfte Welle der Welt ritt und das kleine Küstenstädtchen damit über Nacht berühmt machte. Seine perfekte Welle war 30 Meter hoch.