+++ Wie die Legenden des Wintersports mit Mitte 40 zur Hochform auflaufen +++
„Alter schützt vor Leistung nicht!“ Der bekannte Spruch, nach dem Sportler im Herbst ihrer Laufbahn noch zu erstaunlichen Leistungen fähig sind, ist aktueller denn je. Gerade erst hat sich Eisschnellläuferin Claudia Pechstein (45) für ihre siebten Olympischen Winterspiele qualifiziert. Die japanische Skisprung-Legende Noriaki Kasai (45) startete in seine 29. Weltcup-Saison. Und sonst so? SPORTSUPREME stellt die ältesten aktiven Wintersportler vor.
Claudia Pechstein: „Grande Dame“ des Eis-Ovals
Claudia Pechstein hat es mal wieder allen gezeigt. Die „Grande Dame“ des Eis-Ovals feierte im norwegischen Stavanger ihren 33. Weltcup-Sieg. Die 45-Jährige distanzierte über 5000 Meter ihre Dauerrivalin Martina Sablikova und löste damit das Ticket für die Winterspiele 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. „Ich bin selbst überrascht, was mein Körper noch hergibt“, sagte die Berlinerin.
Mit ihren siebten Winterspielen steigt Pechstein im Februar 2018 zur alleinigen deutschen Rekord-Olympionikin auf. Rodler Georg Hackl und Skilangläufer Jochen Behle nahmen an sechs Winterspielen teil. „Eigentlich sind es meine achten Spiele“, sagte Pechstein und spielte damit auf ihre verpasste Teilnahme 2010 in Vancouver an.
Ein Jahr zuvor hatte der Weltverband ISU die Deutsche für zwei Jahre gesperrt, nachdem in ihrem Blut erhöhte Retikulozyten-Werte ermittelt wurden. Pechstein bestritt stets jegliche Doping-Vorwürfe und ging gegen die Sperre juristisch vor. Bis heute erfolglos. Gutachten bestätigten jedoch, dass eine vom Vater geerbte Blutanomalie auf ihre erhöhten Werte zurückzuführen sind.
Pechstein gab die Antwort auf dem Eis. Nach ihrem Comeback 2011 behauptete sie sich in der Weltspitze und errang bei Welt-und Europameisterschaften etliche Medaillen. In Südkorea könnte die erfolgreichste deutsche Sportlerin bei Winterspielen ihre zehnte Olympia-Medaille einfahren. „Der Februar ist mein Monat. Da habe ich Geburtstag. Und da war ich immer sehr erfolgreich“, sagte Pechstein, die eine weitere Olympia-Teilnahme 2022 nicht ausschloss. „Vielleicht strebe ich danach meine achten Spiele an.“
Noriaki Kasai: Legende auf der Großschanze
Als Skispringer Noriaki Kasai 1988 sein Weltcup-Debüt gab, waren viele seiner heutigen Konkurrenten nicht mal geboren. Damals hießen seine Gegner noch Jens Weißflog und Matti Nykänen, die noch im Parallel-Stil auf Weitenjagd gingen. Kasai hat sie über fast drei Jahrzehnte alle überflügelt. Jetzt startete der Japaner in seine 33. Weltcup-Saison. Der „Flugsaurier“, wie er liebevoll genannt wird, nahm zwischen 1992 und 2014 siebenmal an Olympischen Winterspielen teil. Damit hält Kasai mit dem russischen Rodler Albert Demtschenko den olympischen Teilnahme-Rekord.
„Ich musste immer viel Aufwand betreiben, um die Veränderungen zu überstehen“, sagt der ewig junge Asiate und fügte an: „Vielleicht muss man mich aufschneiden und eine Autopsie durchführen. Das Geheimnis steckt in meinem Körper.“ Auch wenn der 45-Jährige zuletzt mit Knieproblemen zu kämpfen hatte, ist er immer wieder für eine Überraschung gut. Bei den japanischen Meisterschaften gewann „Nori“ Anfang November nochmals den Titel auf der Großschanze. Letzten Winter stand er bei den Weltcups im Skifliegen zweimal auf dem Podest. Was ihn an Physis fehlt, macht er mit seiner starken Technik wieder wett.
Sofern sein Körper mitspielt und die Leistungen halbwegs stimmen, wird der Japaner auch bei seinen achten Winterspielen in Pyeongchang dabei sein. Kasai, der sämtliche Altersklassen-Rekorde seiner Sportart hält, denkt sogar schon weiter: „Mit 40 hatte ich das Ziel, bis 50 weiterzumachen. Falls 2026 tatsächlich mein Wohnort Sapporo die Spiele bekommt, möchte ich dabei sein. Dann bin 54“, sagte Kasai.
Ole Einar Björndalen: Mr. Biathlon erfindet sich neu
„Ich fühle mich wie 20“, sagte Biathlet Ole Einar Björndalen im April 2016. Damals kündigte der Norweger an, seine Karriere erst nach den Olympischen Spielen 2018 zu beenden. Damit fügt der große alte Mann des Biathlons seiner Erfolgsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzu. Mit acht olympischen Goldmedaillen, 20 WM-Titeln und 94 Weltcup-Siegen ist Björndalen der erfolgreichste Wintersportler aller Zeiten.
Sein Geheimnis: Ehrgeiz, Bescheidenheit und Perfektionismus. Kaum ein anderer Biathlet arbeitet so hart und akribisch, kaum ein anderer geht in seinem Alter derart ans Limit. Mit 22 feierte er seinen ersten Weltcup-Sieg, mit 24 wurde er in Nagano erstmals Olympiasieger. Vier Jahre später holte er in Salt Lake City viermal Gold. Mehr geht nicht, oder?
Björndalen machte weiter, überstand sportliche Rückschläge und Verletzungen. Und erfand sich immer wieder neu. Der Tüftler erfand innovative Ausrüstungsdetails und entwickelte neue Trainingsmethoden. Um perfekt vorbereitet zu sein, tourte er mit einem Wohnmobil durch den Weltcup-Winter. Der Lohn: Bei den Winterspielen 2014 in Sotschi gewann Björndalen seine siebte und achte olympische Goldmedaille.
Somit wird Mr. Biathlon auch in seinem 25. und (womöglich) letzten Weltcup-Winter für den einen oder anderen Titel gut sein. „Ich habe gute Eltern, gute Gene, einen guten Körper und ich passe auf mich auf“, sagte Björndalen. Vielleicht tritt der Norweger, der seit 2016 mit der weißrussischen Top-Biathletin Darja Domratschewa verheiratet und Vater einer Tochter ist, ja nach Olympia 2018 etwas kürzer.
Jaromir Jagr: Eishockey-Star jagt NHL-Rekord
Er kann es nicht lassen: Eishockey-Legende Jaromir Jagr geht in seine 24. NHL-Saison. Der 45-Jährige unterschieb Anfang Oktober bei den Calgary Flames noch mal einen Ein-Jahres-Vertrag. Damit ist der Tscheche nicht nur der älteste noch aktive Spieler der nordamerikanischen Elite-Liga, sondern auch einer der erfolgreichsten. „Ich bin vielleicht nicht mehr der Schnellste. Aber ich kann den Puck länger in den Reihen halten als die meisten anderen Jungs der Liga“, sagte der Altmeister bei seiner Vorstellung.
Schon in jungen Jahren gehörte Jagr dem legendären Team der Pittsburgh Penguins an, das 1991 und 1992 den Stanley Cup gewann. Damals stand der Flügelstürmer mit Legenden wie Mario Lemieux auf dem Eis. Später wurde Jagr, dessen Markenzeichen damals wie heute sein Vokuhila-Haarschnitt ist, mit der Tschechischen Republik Olympiasieger (1998) und Weltmeister (2005, 2010).
Heute könnten seine Mitspieler seine Söhne sein. Trotzdem gehört Jagr nach wie vor zu den Leistungsträgern und kann dank seiner überragenden Technik Spiele entscheiden. In der vergangenen Saison stand der Routinier für die Florida Panthers in allen 82 Vorrundenspielen auf dem Eis, erzielte dabei 16 Tore und gab 30 Vorlagen. „Ich weiß nicht, was sein Geheimnis ist, aber es ist toll, was er drauf hat. Er ist clever und kann ein Spiel lesen. Deshalb ist er so erfolgreich“, zollte ihm sein neuer Mitspieler Sam Bennett (21) Respekt.
Wenn Jagr in dieser Saison verletzungsfrei bleibt, wird er den Einsatz-Rekord der NHL knacken. Der wird vom legendären Gordie Howe gehalten. Der Kanadier absolvierte zwischen 1946 und 1971 für die Detroit Red Wings 1767 Spiele. Jagr fehlen nur noch 56 Partien, um diese magische Marke zu übertreffen.